US-Wahlen und der Green New Deal : Nur Trump kann die Zukunft stoppen
Kaum zu glauben, aber ausgerechnet die gespaltene US-amerikanische Gesellschaft ist nun in eine fossilfreie Zukunft aufgebrochen. Für taz FUTURZWEI beleuchtet Ella Müller aus dem Washington-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung, einen schmerzhaften Erkenntnisprozess der US-Demokraten. Und welche Bedrohungen noch lauern.
taz FUTURZWEI | Erderwärmung und Klimapolitik standen in diesem Jahr bisher weder in der EU noch in den USA im Zentrum des demokratischen Wettbewerbs. In Europa gibt es seit einiger Zeit sogar einen Backlash, rechtsautoritäre und teilweise auch konservative Parteien werben mit Rhetorik gegen Klimapolitik für sich.
Was sagt das aus über den Westen, seine demokratischen Gesellschaften und politischen Systeme? Sind sie überhaupt in der Lage, auf existentielle Herausforderungen angemessen zu reagieren?
Antworten auf diese Fragen liefert ein Blick in die USA: Er macht verständlich, was die antiökologische Radikalisierung reaktionärer Kräfte antreibt, und wie Demokratie- und Klimakrise zusammenhängen. Er gibt aber - trotz allem - auch Grund zur Hoffnung, denn ausgerechnet das amerikanische Beispiel zeigt, wie auch unter widrigsten politischen Bedingungen das Ende der fossilen Ära eingeleitet werden kann.
Konservativer Widerstand gegen alles
Manchmal ist es hilfreich, die Schuldfrage zuallererst zu klären, um sich dann den produktiven Fragen widmen zu können: Klimaschutz ist in den USA in den letzten drei Jahrzehnten vor allem an der strategischen Radikalisierung der konservativen Bewegung gescheitert. Verbissen leisten Republikaner im Kongress seit den 1990er Jahren Widerstand gegen alles, was nach grüner, progressiver oder liberaler Politik klingt.
Es ist eine der fatalsten Gleichzeitigkeiten unserer Gegenwart, dass das konservative Amerika den Kampf gegen die liberale Demokratie ausgerechnet in dem Moment zur Priorität erklärt hat, in dem es die Klimakrise endlich oben auf die politische Tagesordnung geschafft hatte.
Jahrgang 1986, lebt in Washington. Sie leitet dort das Demokratie Programm der Heinrich-Böll-Stiftung. Zuletzt von ihr erschienen: Die amerikanische Rechte und der Umweltschutz. Geschichte einer Radikalisierung. (Hamburger Edition 2023, 368 Seiten, 40 Euro) | Foto: Arjen de Boer
Man sollte sich aber davor hüten, diesen Widerstand mit kulturellen Mythen über Amerika zu verklären und ihn dadurch zu entpolitisieren. „Der Amerikaner“ ist weder zu freiheitsbewusst noch zu staatsskeptisch für Klimaschutz – keines dieser Klischees hält einer historischen Überprüfung stand.
Tradition konservativer Umweltpolitik
Ein offener Blick in die Geschichte zeigt: Amerika kann effizienten Umweltschutz, und sogar republikanische Präsidenten haben sich bemüht. Richard Nixon, George H. W. Bush, und selbst Ronald Reagan haben teilweise bahnbrechende Umweltgesetze unterzeichnet.
Diese Tradition konservativer Umweltpolitik wurde um 1994 gezielt von einer ehrgeizigen Generation rechter Politiker abgebrochen, die erkannten, dass es reaktionäre Kräfte zunehmend schwer hatten, in einer Gesellschaft, die scheinbar immer liberaler und offensichtlich vielfältiger wurde. Besonders Newt Gingrich, ein junger Republikaner aus Georgia, baute seine Karriere auf einer neuen Form der parteipolitischen Fundamentalopposition gegen die Demokraten auf und schwor seine Fraktion auf maximale Kompromisslosigkeit ein.
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Die Sabotage von Umwelt- und Klimaschutz war nie die politische Priorität von Gingrich und seinen Verbündeten, sie war ein Kollateralschaden der strategischen Radikalisierung, den die Konservativen sehr bewusst hinnahmen. 2009 trug die rechte Tea-Party-Bewegung den Kampf gegen Umwelt- und Klimaschutz in die republikanische Basis und erklärte das Themenfeld damit endgültig zum Schlachtfeld der Culture Wars. Heute ist der Widerstand gegen Klimaschutz und jeder Form von ökologischer Politik identitätsstiftend für die Republikanische Partei.
Mehrheit fordert Klimaschutz
Diese Feindseligkeit der amerikanischen Rechten gegenüber dem Klimaschutz ist nicht nur ökologisch fatal, sie wird auch zunehmend zur Belastung für die Demokratie. Für keine der antiökologischen Positionen der Republikaner gibt es eine gesellschaftliche Mehrheit in den USA.
Die Zustimmungswerte für den Umweltschutz fluktuieren zwar, aber eine Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung fordert seit Jahrzehnten besseren Klimaschutz. Es handelt sich beim rechten Anti-Ökologismus um ein Minderheitenprojekt, das mit zunehmender Aggressivität gegen eine gesellschaftliche Mehrheit vorangetrieben werden muss.
Der Grund, warum wir unser Klima nicht längst besser schützen, ist nicht, dass liberale Demokratien keine Lösungskompetenzen besitzen oder nicht lern- beziehungsweise handlungsfähig sind. Der Grund ist ein Defizit an Demokratie im politischen System der USA und die Tatsache, dass allein die Idee einer liberalen, pluralen Demokratie für reaktionäre Kräfte so bedrohlich ist, dass sie allem, was Demokraten am Herzen liegt, den Kampf erklären.
Resilienz der Umwelt- und Klimabewegung
Dieser Konflikt zwischen den Republikanern und den Demokraten über das Wesen der US Demokratie ist existentiell und wird der politische Kontext bleiben, in dem dieses Land Antworten auf die Klimakrise finden muss. Wie kann das gelingen?
Ein erster Schritt muss sein, die Fähigkeiten und Stärken der demokratischen Systeme anzuerkennen. Das Feld Umweltpolitik ist dafür geradezu prädestiniert – gerade weil es so konfliktreich ist. Die Aushandlungsprozesse über Natur- und Umweltschutz – sei es beim Kohleausstieg, beim Artenschutz oder in der Energieproduktion – sind nicht neu und haben auch in der Vergangenheit alle Beteiligten sehr viel Kraft gekostet, waren öfter schmerzhaft und unbefriedigend als glorreich. Und doch sind in ihnen politische Strategien entstanden und wurden staatliche Werkzeuge entwickelt, mit denen sich auch unvereinbare Interessengegensätze befrieden lassen.
Der Umgang mit anti-ökologischen Protesten ist wiederum elementar für diese Lernprozesse: Auf sie einzugehen, sie auszuhalten, oder sich ihnen entgegenzustellen, ist Ausdruck einer aufgeklärten ökologischen Debatte und einer robusten Demokratie. Und die politische Mobilisierung, teilweise gegen heftigen Widerstand, sowie die intensive öffentliche Aufklärung, die seit Jahrzehnten läuft, belegen wiederum die Resilienz der Umwelt- und Klimabewegung in unseren Demokratien.
Es ist ein Defizit unserer klimapolitischen Debatte, dass wir diesen Lernprozessen und Erfahrungsschätzen kaum historische Bedeutung beimessen und so wenig politische Kraft aus ihnen ziehen.
Obamas Glaube
Eines der spannendsten Beispiele für so einen schmerzhaften, demokratischen Lernprozess sind die klimapolitischen Strategien der Administrationen von Barack Obama und Joe Biden.
Fast 16 Jahre ist es her, dass das erste Mal ein schwarzer Amerikaner die Präsidentschaftswahlen gewann und Demokraten auf der ganzen Welt in Euphorie versetzte. Obama bescherte seiner Partei außerdem die Mehrheit im Repräsentantenhaus und – man kann es kaum noch glauben – 60 der 100 Sitze im Senat. Für einen kurzen Moment hatten die Demokraten alles, was es braucht, um ein Land von Grund auf zu reformieren.
Doch Obama und sein Team glaubten nicht nur an change, sie glaubten auch an Konsens und deuteten ihren Wahlsieg als Auftrag, die gespalteten Staaten von Amerika zu vereinen. Der Abbau von Polarisierung wurde so zum normativen Ziel. Nur eine überparteiliche Mehrheit schien nun eine legitime Mehrheit zu sein.
Obamas Scheitern
Frühe Opfer dieses demokratischen Irrtums wurden Obamas Klimaambitionen. Der American Clean Energy and Security Act sollte die Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen unter anderem mithilfe eines Emissionszertifikatshandelns abbauen. Das Reformpaket beruhte ganz maßgeblich auf dem Programm des unterlegenen republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain.
Es war der Versuch, Klimaschutz durch eine überparteiliche Mehrheit stärker zu legitimieren und Streit zu schlichten. Doch die amerikanische Rechte war wild entschlossen, Obamas Präsidentschaft scheitern zu lassen und versagte jedem seiner Reformvorschläge die Unterstützung – selbst wenn die Vorlagen aus dem eigenen Programm kamen.
Und auch im demokratischen Amerika musste man lange suchen, um jemanden zu finden, der bereit war, die Klimareform beherzt gegen den dogmatischen Widerstand von rechts zu verteidigen. Bei der amerikanischen Linken war der Entwurf mit seinen marktwirtschaftlichen Mechanismen nicht beliebt, sondern wurde als Ausverkauf an industrielle Interessen und neoliberale Prinzipien verstanden. Auch die Umwelt- und Klimabewegung war skeptisch. Sie konzentrierte sich in der öffentlichen Schlacht um die Reform darauf, die Defizite des Gesetzes aufzuzählen.
Lernen aus Obamas Fehlern
Die Medien kommentierten die politische Auseinandersetzung vom Seitenrand, fühlten sich darüber hinaus aber nicht verantwortlich, genauer über die Inhalte des Gesetzes zu informieren. So verendete ein handwerklich durchaus passables Gesetz im Senat, in dem die Demokraten inzwischen ihre absolute Mehrheit verloren hatten. Es sollte in zwei Legislaturperioden nicht mehr gelingen, eine substantielle Klimareform im eigenen Land zu verabschieden.
Das Gute an diesen acht verlorenen Jahren war, dass ausgerechnet der knapp 80-jährige Joe Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris 2020 die Chance bekamen, aus Obamas Fehlern zu lernen. Als Biden Präsident wurde, war die demokratische Mehrheit im Kongress denkbar knapp. Die republikanische Partei zeigte sich nach Trumps Niederlage wild entschlossen, sich noch weiter zu radikalisieren.
Die Arbeitslosigkeit stand auf einem Rekordhoch und die Wachstumsraten waren im Keller, die ökonomische Situation war – milde gesagt – angespannt. Der jungen Klimabewegung hatte die Pandemie besonders zugesetzt und die Erschöpfung vieler sozialer Bewegungen war nach vier Jahren Widerstand gegen Trump groß. Die Chancen für ein transformatives Klimagesetz standen 2021 und 2022 ausgesprochen schlecht.
Das neue politische Projekt der Demokraten
Doch das Verständnis vom Wesen liberaler Demokratien war in den vier Jahren Trump-Regierung deutlich gereift. Die Romantisierung der Institutionen, der nostalgische Blick auf die Gründungs- und Nachkriegsgeschichte der USA und die Sehnsucht nach einer Zeit vor der Polarisierung – all dies wirkte unangebracht, umso mehr sichtbar wurde, wie wenig widerstandsbereit Institutionen wie der Supreme Court gegen antidemokratische Projekte waren und wie exklusiv und repressiv der politische Konsens und die vermeintliche Abwesenheit von Spaltung in der Vergangenheit gewesen waren.
Das politische Projekt der Demokraten konnte nach Trump kein restauratives oder nostalgisches mehr sein, sondern musste einen reformativen und progressiven Anspruch haben – niemand symbolisiert das derzeit so gut wie die neue demokratische Spitzenkandidatin Kamala Harris und ihr Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz.
Auch die Umweltbewegung hatte sich nach ihrer schmerzhaften Niederlage unter Obama weiterentwickelt. Das Ergebnis war der Green New Deal, der den Fokus darauf legte, Verbündete an Bord zu holen. Das hatte unter anderem den Effekt, dass Klimaschutz nicht mehr als Selbstzweck gedacht wurde, von dem man nur alle überzeugen musste, sondern als Hebel: Für Wohlstand, Wachstum, Aufstieg, Gerechtigkeit und soziale Sicherheit.
Aufbruch in eine fossilfreie Zukunft
So gewann man neue Akteure: Industrie, Gewerkschaften, soziale Bewegungen, Gesundheitsbranche und Tech-Unternehmen – viele, die bereit waren für Veränderungen, definierten nun mit, was Klimaschutz sein sollte.
Diese Bündnisse hatten ihren Preis: Sie kosteten die Klimabewegung die Deutungshoheit über ihr Kernthema. Amerika plant aktuell keine Mobilitäts-, Konsum- oder Ernährungswende und am Naturschutz wird beherzt gerüttelt, sobald er die fossilfreie Re-Industrialisierung des Landes zu bremsen droht. Amerikas Dekarbonisierung ist nicht sehr ökologisch, sie ist unvollständig und viele Aspekte des ursprünglichen Green New Deal sind im Laufe der Verhandlungen über Bord gegangen.
Entscheidend aber ist, dass die unglaublich vielfältige, strapazierte und gespaltene US-amerikanische Gesellschaft in einer Zeit voller Krisen tatsächlich in eine fossilfreie Zukunft aufgebrochen ist.
Nur die Abschaffung der liberalen Demokratie durch die Republikaner kann diesen Aufbruch noch stoppen.
■ ELLA MÜLLER, Jahrgang 1986, lebt in Washington. Sie leitet dort das Demokratie Programm der Heinrich-Böll-Stiftung. Dieser Text ist zuerst in unserem Magazin taz FUTURZWEI erschienen.