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12.10.2023 , 20:56 Uhr
Anke Rehlinger ist sicher der Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention bekannt? Aber die Forderung nach Zwangsarbeit hat in Deutschland ja eh Konjunktur, siehe die nicht enden wollende Debatte über ein soziales Pflichtjahr. Vorneweg unser Bundespräsident, und auch die CDU, die sich das "Gesellschaftsjahr" (klingt schöner!) vor einem Jahr ins Grundsatzprogramm geschrieben hat. Was scheren uns Menschenrechte, wenn es darum geht, Mehrheiten hinter sich zu bringen.
zum Beitrag25.12.2022 , 23:57 Uhr
Ich verstehe diesen Mann nicht. Hier lobt er das große Engagement der Bürger*innen, andererseits plädiert er für grundgesetz- und menschenrechtswidrige Zwangsarbeit in Form eines sozialen Pflichtjahrs. Und er ist Jurist, er müßte doch am besten wissen, daß ein solcher Dienst mit dem Grundverständnis unserer Verfassung (freie Entfaltung der Persönlichkeit, freie Berufswahl, Eingriffe des Staates nur zur Gefahrenabwehr) nun gar nicht übereinstimmen würde. Ich habe grundsätzlich großes Mißtrauen gegenüber denjenigen, die ein soziales Pflichtjahr fordern. Not my president.
zum Beitrag20.07.2022 , 20:28 Uhr
Der grüne Berliner Bürgermeister Stephan von Dassel hat ja auch schon einen viel größeren radikalen Plan: er plädiert für einen grundgesetzwidrigen sozialen Pflichtdienst für alle Jugendlichen. Das sagte er am 29.6. der B.Z.
zum Beitrag29.06.2022 , 20:27 Uhr
Per Definition ist Zwangsarbeit jegliche Arbeit, die gegen den Willen des Betroffenen unter Androhung von Sanktionen verlangt wird. Und die Europäische Menschenrechtskonvention macht da auch keine Unterschiede.
Noch eine Definition: Zivildienst hat mit einem Sozialen Pflichtjahr formal nichts zun tun. Den Zivildienst gab es nur in Verbindung mit der Wehrpflicht, er war nie Selbstzweck, sondern Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer.
Gemäß unserer Verfassung hat jeder Erwachsene das Recht auf eigene Lebensgestaltung. In dieses Recht darf der Staat nur in Not und zur Gefahrenabwehr eingreifen.
Alles, was Sie in puncto Gemeinsinn aufzählen, kann ich voll unterstützen. Nur kann niemand dazu gezwungen werden. Es widerspricht auch dem Grundverständnis unseres Staates. Zur staatsrechtlichen Vertiefung des Themas empfehle ich das Böckenförde-Diktum bzw. -Dilemma.
Ein Pflichtdienst besteht ja eigentlich schon. 18 Jahre für Eltern, 9 bis 10 Jahre für Schulen, dazu für viele weitere Institutionen, die für Erziehung und Bildung zuständig sind. Es kann ja nicht der Fehler der Jugendlichen sein, wenn sie nach diesen 18 Jahren, also nach etwa einem Viertel eines Durchschnittslebens, (angeblich) zuwenig Gemeinsinn erfahren haben. Die Verantwortlichen müßten ja ein Versagen eingestehen, wenn man mit 18 formal als mündig gilt, es aber de facto nicht ist. (Ausnahmen müssen wir leider hinnehmen.)
Ein Pflichtjahr zu - in weitestem Sinne - erzieherischen Zwecken wäre "Nachsitzen" für ein Defizit, das nicht in der Verantwortung der Betroffenen liegt.
zum Beitrag29.06.2022 , 19:43 Uhr
Sie haben nicht recht. Und der Staat hat grundsätzlich auch nicht das Recht, über die Lebensführung seiner Bürger zu verfügen, Ausnahmen muß er begründen, beispielsweise durch Notstand, Gefahrenabwehr o.ä.
Der erste Artikel unserer Verfassung sollte zunächst lauten: "Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen." Er wurde dann ersetzt durch den noch besseren Aspekt der unantastbaren Würde des Menschen, aber das Prinzip des Erstentwurfs gilt weiter und findet in jedem der ersten 20 Artikel Ausdruck.
1.Die Wehrpflicht ist auch nur eine Ausnahme, selbst wenn sie real über 50 Jahre existierte. Sie ist eine Kann-Bestimmung für den Fall, daß zur Verteidigung eine Berufsarmee nicht ausreicht. Ansonsten gilt für jeden die Freiheit der Berufswahl (Art. 12).
2. Die Dienstpflicht gilt ausdrücklich nur "herkömmlich", d. h. in Situationen, in denen es seit jeher selbstverständlich war, daß jeder mit anpackt, bei Naturkatastrophen, z. B. im Deichbau.
3. Erwachsen bzw. mündig sind alle über 18. Sie können uneingeschränkt und selbstverantwortlich über ihre Lebensführung entscheiden. Eine Verpflichtung von Staats wegen wäre eine widersinnige Entmündigung.
4. Das Grundverständnis unseres Staats ist Freiheitlichkeit. Jeglicher Zwang, der keine ausreichende Begründung hat, steht dem zuwider. Der ehemalige Verfassungsrichter Böckenförde hat dies in nach ihm benannten Diktum brillant beschrieben. Sehr lesenswert.
Ansonsten empfehle ich zum Thema Dienstpflicht/Soziales Pflichtjahr auch die Expertisen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, der sich in den letzten 20 Jahren gleich mehrfach mit dem Thema beschäftigt hat, insbesondere im Hinblick auf Grundgesetz und Europäischer Menschenrechtskonvention. Stets mit demselben Ergebnis.
Sie können gerne anderer Meinung sein, nur müssen Sie dann meine fundiert widerlegen und nicht das Grundgesetz als Argument einfach als "Quatsch" bezeichnen.
zum Beitrag27.06.2022 , 20:12 Uhr
Das ist auch unwesentlich gegenüber dem Auftrag, den ein Bundespräsident hat: sich ausnahmslos für die Einhaltung aller Grundrechte und der Menschenrechte einsetzen, anstatt ihrer Demontage Wort zu reden. Unser Staat hat keine Befugnis, erwachsene, mündige Menschen zur Arbeit zu zwingen. Es entspricht auch nicht dem Grundverständnis unserer Verfassung. Ich bin entsetzt darüber, wieviele Menschen in diesem Land für kollektive nZwangsarbeit plädieren.
zum Beitrag14.06.2022 , 16:46 Uhr
Wie alt diese Diskussion ist... taz.de/Archiv-Suche/!1532844/
Bei der Bundeszentrale für politische Bildung findet sich gar ein Hinweis (leider ohne Quellenangabe), schon die Regierung Adenauer habe eine Dienstpflicht einführen wollen.
Warum ist man in Deutschland so versessen auf ein verfassungs- und menschenrechtswidriges Pflichtjahr (mit einem Riesenheer von jährlich 700 000 Menschen), was auf der gesamten restlichen Welt in dieser Größe nicht existiert und auch fast nirgends sonst diskutiert wird?
Elias Canetti hatte wohl recht mit seiner Charakterisierung der Deutschen in "Masse und Macht":
"Das Massensymbol der Deutschen war das Heer. Aber das Heer war mehr als das Heer: es war der marschierende Wald. In keinem modernen Lande der Welt ist das Waldgefühl so lebendig geblieben wie in Deutschland. Das Rigide und Parallele der aufrechtstehenden Bäume, ihre Dichte und ihre Zahl erfüllt das Herz des Deutschen mit tiefer und geheimnisvoller Freude."
zum Beitrag14.06.2022 , 14:26 Uhr
Bodo Ramelows Vergleich mit der Schulpflicht ist ein völliger Fehlschluß. Der Staat hat einen Bildungsauftrag, und Kinder empfangen damit eine Leistung. Die Schulpflicht setzt lediglich Kontinuität durch, um sicherzustellen, daß wir alle wenigstens 9 bis zehn Jahre Schulbildung haben. Wenn nun den jungen (nun mündigen!) Erwachsenen kollektiv unterstellt wird, sie hätten in puncto Gemeinsinn noch etwas zu lernen, haben Schulen, aber auch Eltern und andere Institutionen versagt. Interessant hierzu ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 2BvR 1693/04 vom 31.5.06): "[19] aa) Die allgemeine Schulpflicht dient als geeignetes und erforderliches Instrument dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags. Dieser Auftrag richtet sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen und die Erziehung zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit. Er richtet sich auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft teilhaben. Soziale Kompetenz im Umgang auch mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung können effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen unterschiedlichen Auffassungen nicht nur gelegentlich stattfinden, sondern Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung sind" (...).
Wenn junge Erwachsene hier nun ein Defizit haben sollen (von wegen "in der Blase leben"), kann man es ihnen ja wohl kaum per Zwangsarbeit anlasten. Nein: denn dann haben die Institutionen versagt, die bereits einen Pflichtdienst haben, der auch darin besteht, Gemeinsinn zu vermitteln. Sie haben 18 Jahre Zeit dazu.
zum Beitrag16.03.2022 , 20:07 Uhr
Die Vergleiche mit Schulpflicht (die nur Minderjährige betrifft), Steuern und StVO hinken schwer. Ein Leben in einer funktionierenden Gesellschaft ist ohne sie schlicht nicht vorstellbar. Ein Leben ohne allgemeine Dienstpflicht dagegen schon. Vor allem die Pflegeberufe müssen attraktiver gemacht und besser bezahlt werden. Hier muß die Politik gestalten, anstatt mit der großen Keule Grundgesetzänderung zu hantieren.
zum Beitrag15.03.2022 , 14:36 Uhr
Für eine Dienstpflicht braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Verfassungsänderung. Die ist bei weitem nicht absehbar. Argumente in der Richtung, eine Dienstpflicht diene der Persönlichkeits- bzw. Charakterbildung, sie sei "bekömmlich" (Heribert Prantl 2018 in der SZ) sind dazu völlig untauglich, ja sogar unzulässig. Deutschland hat sich in internationalen Verträgen zum Verbot von Zwangsarbeit verpflichtet, dazu gehört auch solche zu erzieherischen Maßnahmen (siehe ILO-Abkommen). Zur Erziehung haben Staat und Familie bereits 18 Jahre Zeit.
Darüber hinaus haben sich sowohl Bundeswehr (aktuell Generalinspekteur Zorn) als auch Wohlfahrtsverbände gegen Wehr-bzw. Dienstpflichtige ausgesprochen, sie haben schlicht keinen Bedarf an ungelernten Kräften. Dann die Organsisation: jährlich müßten mindestens 700 000 Dienstpflichtige mit einer entsprechenden, langfristig angelegten Infrastruktur erfaßt werden, die Kosten werden auf grob 13 Mrd. € geschätzt. Im Geiste des Grundgesetzes kann generelle Rekrutierung nur durch einen wirklichen dauerhaften Bedarf an unqualifizierten Kräften gerechtfertigt sein, also durch einen anhaltenden Notstand, dem anders nicht entgegenzutreten ist.
Mit welcher Leichtfertigkeit trotzdem immer wieder eine solche massive Einschränkung gleich mehrerer fundamentaler Grundrechte gefordert wird, ist mir ein Rätsel. Eine vergleichbare staatlich angeordnete Dienstpflicht hat, von ca. 200 Staaten der Welt, nur Venezuela. Woher kommt diese Sehnsucht nach einem Pflichtdienst ausgerechnet in Deutschland? Da fällt mir nur die Charakterisierung der Deutschen in Canettis "Masse und Macht" ein...
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