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05.06.2014 , 20:19 Uhr
In westlichen Gegenwartsgesellschaften leben wir im omnipräsentem Überfluss. Im Supermarkt gibt es zu viel Auswahl, bei Starbucks zu viele Kaffeesorten, in der S-Bahn meistens zu viele Menschen, im Fernsehen zu viel Schwachsinn. Und im Schreibgebrauch zu viele Zeichen. Das Semikolon jedenfalls wird hier, als Gegenstück zum markterfolgreichen Hashtag, zum Ladenhüter, in eine immer enger werdende sprachökologische Nische gedrängt und droht im Abgrund des alltagsschriftlichen Darwinismus zu verschwinden. Brauchen wir deswegen eine gesetzlich festgelegte Semikolonquote? Eine Plakatkampagne, im Rahmen derer sich Gegenwartsprominente zum Semikolongebrauch bekennen? Nein. Wir brauchen eine Kultur der entschiedenen Unentschiedenheit. Denn um nicht in der Alternativenflut des alltäglichen Möglichkeitenmeers zu ersaufen, sind wir heute darauf konditioniert, möglichst schnell, möglichst effizient, möglichst nachhaltig richtig, möglichst entschiedene Entscheidungen zu treffen. Bio oder billig, Apple oder Samsung, Kind oder Karriere, Barfuß oder Lackschuh.
In so eine Welt passt das Semikolon als semiotische Personifikation des ewigen Mittelwegs nicht: als Vermittler zwischen zwei gleichwertigen Sinneinheiten teilt es ohne zu trennen und verbindet ohne vermischen. Es zwingt nicht zum Priorisieren, sondern lässt uns die Freiheit, Zweierlei in jeweiliger Eigenheit gleichwichtig zu finden und doch in syntaktische Einheit zu bringen. Jedes gebrauchte Semikolon ist ikonisch gelebter Widerstand gegen gesellschaftliche Entscheidungsimperative, routinierte Prioritätensetzung und verkrustete Relevanzhierarchien. Es lebe die entschiedene Nichtentscheidung - ohne Wenn und Aber, ohne Punkt und Komma sondern mit Semikolon. Es lebe der Strichpunkt!
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