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23.10.2019 , 17:01 Uhr
Wenn man die Demonstrationen mit dem Vandalismus gleichstellt, macht es ihr Argument sehr einfach. Dort wo angezündet und geplündert wird, befindet sich jedoch weder Militär, noch Polizei. Bürgermeister bitten darum, dass endlich Polizei in diese Stadtteile geschickt wird. Das Militär hingegen ist überhaupt für Konfliktvermeidung im Kontakt mit Zivilisten ausgebildet. Alle - vermutlich auch die Soldaten selbst - möchten, dass sie abgezogen werden. Die friedlichen Proteste, wenn sie nicht mit Gewalt beantwortet werden, haben nichts mit der "Unsicherheit" im Land zu tun. Man erwartet keine Wunderheilung, sondern Umstrukturierungen. Das Kapital bringt allen, außer den Reichen, im Moment wenig, sonst wäre Chile jetzt nicht in dieser Situation.
zum Beitrag23.10.2019 , 16:30 Uhr
Die Proteste als politisch militant zu sehen ist eine grobe Fehleinschätzung.
Und natürlich ist Piñera nicht "Schuld" an der Verteilungsungerechtigkeit, das wäre zu viel des Lobes. Er ist wesentlich daran beteiligt sie zu stärken und möglichst viel Profit rauszuholen. Tatsache ist leider, dass er Präsident ist und seinesgleichen um sich herum positioniert hat. Teilweise wortwörtlich die Familie, was in der Politik problematisch ist und zeigt, dass Interessenskonflikte eindeutig nicht auf Piñeras moralischen Kompass auftauchen.
Klarstellungen: 1. Es ist Gesetz, dass er seine Unternehmen verkaufen musste und diese gingen an seine Cousins. 2. Sein Bruder ist Gründer der AFP. So viel zu den Chicago Boys.
Sie sprechen einen reichen Steuerhinterzieher von egoistischen Motiven frei? "Normale Lobbyfallen" ist ein schöner Ausdruck. Die armen, korrupten Politiker.
Sich von einer Weiterführung der Diktatur abzusondern war keine Heldentat. Pinochet hatte keine andere Wahl, als dem Volk diese Entscheidung zu überlassen und auf diese Weise geschickt seine Ideale in der Konstitution zu verankern, während eben solche "Verbündeten" wie Piñera als Gutmenschen dastehen und sie weiterführen können. Ihrer Meinung nach hat Pinochet vielleicht auch aus Besorgnis um seine Landsleute gehandelt ... Wir haben deutlich unterschiedliche Meinungen und Einsichten. Das brauchen wir nicht weiter zu diskutieren.
Immerhin kann ich Ihnen zustimmen, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit fehlt. Allende ist dabei ein notwendiges Thema, um politische Entwicklungen zu verstehen. Die Militärdiktatur ist keine Frage der Zustimmung oder Ablehnung. Die Wunden allerdings betreffen das traumatisierte und ausgebeutete Volk, sowie alle gefolterten und verschwundenen Personen und deren Familien. Das sind nicht die elitären Kreise und es geht nicht um politische Diskrepanzen.
PS: Dafür, dass sich Piñera nicht gerne verteidigen, geben Sie sich aber alle Mühe, nicht genau hinzugucken.
zum Beitrag21.10.2019 , 16:52 Uhr
Es ist wenig bekannt darüber, wer sich außer SchülerInnen und Studierenden an den Protesten beteiligt? Allgemein gilt die soziale Ungleichheit in Chile als wesentliche Ursache der Proteste? Im ganzen Land gehen Menschen auf die Straße, um gegen die institutionelle Ausbeutung zu demonstrieren in einem Land, das unter Pinochet Opfer neoliberalistischer Experimente wurde. Dieses System besteht bis heute und das Volk fordert Reformen und eine neue Konstitution. Auslöser waren die Fahrpreise, weil alleine die Fahrten zur Arbeit damit monatlich fast 30% des Mindestlohns erreicht haben. All das wird sehr deutlich von den Protestanten vermittelt!
Piñera hat auf friedliche Proteste mit Polizeigewalt geantwortet, wozu es zur Eskalation kam. Er hat den Notstand ausgerufen, um das Militär auf die Demonstranten loslassen zu können. Er antwortet mit Gewalt und Unterdrückung, weil er zu den wenigen Familien gehört, die sich an diesem System ein Vermögen verdienen und zusätzlich Steuern hinterziehen. Das sind keine Geheimnisse. Er ist Teil jener Unternehmer, die Chile zu Tode privatisiert haben. Die Demonstranten fordern unter anderem seinen Abtritt und erhoffen sich systematische Änderungen im Land. Bitte entschuldigen Sie, aber kommentarlos Piñera zu zitieren ist fragwürdig.
Zusätzlich würde ich Sie gerne darüber informieren, dass Tränengasgranaten direkt auf Menschen abgefeuert werden, Die Polizei zusätzlich mit Gummigeschossen ausgestattet ist und mit ihren Autos Menschen anfährt. Das Militär schießt ebenfalls. Durch diese Taten sind die meisten Tode bisher zu verzeichnen und die nationale Menschenrechtsorganisation INDH hat dies bereits als Verletzung von Menschenrechten bestätigt. Das ist Piñeras Politik. Er ist der Einzige, der hier einen Krieg erklärt. Und bitte kopieren Sie ihn nicht in seiner Kriminalisierung der Demonstranten. Plünderer und Brandstifter (übrigens teilweise deutlich von Polizisten verursacht, wie in Videos zu sehen) ist keine Demonstranten.
zum Beitrag20.10.2019 , 22:30 Uhr
Angesichts der komplexen politischen Geschichte kann man die derzeitige Situation und vorherige Reformen nicht ohne Kontext stehen lassen.
Bachelet ist für viele nicht radikal vorgegangen, innerhalb ihrer Möglichkeiten hat sie allerdings viel erreicht und wichtige Debatten entfacht. Sie hat gegen eine starke rechte Front arbeiten müssen und ihre Gesetze mussten schließlich in Kongress und Senat durchkommen. Das ist bei den Interessen eines konservativen und privatisierten Staates keine einfache Aufgabe.
Eine oberflächliche Abfertigung wie das Beispiel der Bildungsreform sind eben solche tiefgreifenden Probleme, die nie gelöst wurden und jetzt explodieren. Systematischer Raub von Seiten der AFP und resultierende Altersarmut sind Erben der Diktatur, an denen sich Piñera und Freunde bereichern - ohne Rückzahlungen an die Bevölkerung, selbst ohne die legal vorgesehenen Steuerzahlungen ihres direkten Einkommens. Chilenen sind dazu gezwungen Prozente ihres Einkommens an diskriminierende (siehe Gesundheitssystem) und privatisierte Institutionen abzugeben. Diese Gelder fließen in die Taschen der Besitzer (z.B. Piñera) und tragen weiterhin zu Chiles extremer, sozialer Ungleichheit bei.
Argumente zum Wirtschaftswachstum haben bei einer derartigen Ungleichheit wenig Wirkung und verteidigen faschistoide (!) Regierungen. Warum faschistoid? Diese Politiker bereichern ihr Privatvermögen an Systemen, die aus der Diktatur Pinochets kommen, während zur Ruhigstellung der Bevölkerung mit Erschöpfung (lange Arbeitszeiten und niedrige Gehälter) und Ignoranz (rechte Medien und privatisierte Bildung) gearbeitet wird.
Friedliche Proteste werden sofort mit Polizeigewalt beantwortet und führen dann zu Ausschreitungen. Der Militäreinsatz ist lediglich ein Zeichen Piñeras Inkompetenz.
Gewalt kann man von keiner Seite verteidigen aber bitte beachten Sie die Zusammenhänge. Derartige Verzweiflung der Bevölkerung kommt nicht von ungefähr.
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