Profil-Einstellungen
Hier könnten Ihre Kommentare stehen
Herzlich willkommen.
Auch Sie haben eine Stimme und auch die soll gehört und gelesen werden.
Hier werden alle Kommentare gesammelt, die Sie verfassen. Außerdem können Sie Kontaktmöglichkeiten hinterlegen und sich präsentieren.
Wir freuen uns, wenn Sie die taz.kommune mit Ihren klugen Gedanken bereichern.
Viel Freude beim Lesen & Schreiben.
meine Kommentare
14.09.2022 , 13:52 Uhr
Wird dieser Krieg denn überhaupt je enden? Selbst wenn er nicht in einen großen Krieg eskaliert und selbst wenn eine der beiden Seiten einen deutlichen militärischen Sieg erringen sollte, wäre der wahrscheinlich nur temporär. Der Krieg in der Ukraine könnte zu einem immer wieder aufflammenden Dauerkrieg werden, wie etwa im Nahen Osten.
Schon bevor Russland in die Ukraine einmarschiert ist, gab es acht Jahre lang Krieg im Donbass – wobei auch die Ukraine immer wieder gegen das Minsker Abkommen verstoßen hat. Und Krieg löst ja die dahinterliegenden Konflikte nicht, sondern verschärft sie. Er vertieft die Gräben, die Fronten. Auch die emotionalen.
„Mit Kampfpanzern den Kollaps in Moskau beschleunigen“ – gestern wurde in den Tagesthemen einer der Initiatoren eines Antrags auf Amtsenthebung von Putin, Nikita Juferew, interviewt. Wie auch zuvor schon vom Stern und der Washington Post. Seine Äußerungen wurden in zig westlichen Medien verbreitet. Würde ein deutscher Politiker ähnlich in russischen Medien auftreten, er wäre schon längst öffentlich als „Kremlpropagandist“ gebrandmarkt. Herrn Juferew ist weder das geschehen, noch war er mit Gewalt und Mord konfrontiert – sondern lediglich mit einer Ordnungsstrafe. Das zeigt doch, dass das Moskauer Regime zumindest teilweise anders handelt als vom Westen beschrieben.
Ich gehe davon aus, dass die breite russische Bevölkerung auch diese andere Seite sieht. Selbst wenn sie zunehmend Kritik an ‚Putins Krieg‘ entwickeln sollte. Auch die Gründe für die „Spezialoperation“ und das Kriegsgeschehen selbst wird sie anders wahrnehmen als durch die Linse der westlichen Medien. Und würde Russland besiegt, würde das wahrscheinlich ihr nationales Empfinden stark verletzen.
Das mag die Widersprüche zum Kreml verschärfen. Doch der Hass, der aus einer Niederlage im Krieg erwüchse, würde sich wahrscheinlich eher gegen die Selenskyj-Regierung und den Westen richten…
zum Beitrag03.09.2022 , 10:04 Uhr
„In den Osten blicken“ und sich die dortigen Erfahrungen anhören ist gut. Allerdings stellen sich dann auch Fragen.
Gorbatschow ließ, lese ich, 1991 Unabhängigkeitsbewegung niederschlagen; 14 friedlich protestierende Litauer kamen dabei ums Leben. In Riga – finde ich heraus – forderte ein Sturm auf das Innenministerium 1991 fünf Todesopfer durch sowjetische Militärkräfte.
Mit Riga habe ich bisher vor allem das Massaker von Rumbula verbunden. Im Wald von Rumbula bei Riga erschossen Angehörige der SS mit tatkräftiger Hilfe lettischer Kollaborateure 1941 an nur zwei Tagen über 26.000 lettische sowie über 1000 Berliner Juden.
Das Kommando hatte der Höhere SS- und Polizeiführer und Führer des SS-Oberabschnitts Ostland, Friedrich Jeckeln. Jeckeln war auch für andere Massenmorde verantwortlich, in der Ukraine (u.a. in Babyn Jar) und in Weißrussland. Insgesamt ließ er über 100.000 Menschen töten.
1945 geriet er in sowjetische Gefangenschaft. 1946 wurde er wegen der Vernichtung der „Sowjetbürger jüdischer Nationalität“ zum Tode verurteilt und auf dem Siegesplatz in Riga hingerichtet.
Ich nehme an, das ist derselbe Platz, auf dem das nunmehr abgerissene sowjetische Ehrenmal stand. Gestürzt, weil es ein „totalitäres Regime verherrlichte“, gegen den Willen der großen russischen Minderheit im Land. Ich hatte eigentlich gedacht, dass man ein Land auch daran misst, wie es mit seinen Minderheiten umgeht. Und der Umgang der Ukraine mit ihrer russischsprachigen Bevölkerung ist für Putin ein wesentlicher Kriegsgrund. Muss man also in dieser Situation den Konflikt mit Russland verschärfen? Mit den Folgen, die das für die baltischen Länder selbst und für ganz Europa haben kann?
Viele Letten von heute scheinen sich vor allem als Opfer der Sowjetherrschaft zu sehen. Gibt es dennoch eine Aufarbeitung der eigenen historischen Schuld aufgrund der Kollaboration von Letten mit den Nationalsozialisten? Geschichte ist komplex und lässt sich nicht einfach abschlagen wie Denkmäler…
zum Beitrag01.09.2022 , 20:23 Uhr
Ich habe festgestellt, dass das gestürzte Denkmal in Riga weder das einzige noch das erste in Osteuropa ist.
2007 entschied die estnische Regierung, eine Gedenkstatue für gefallene Sowjetsoldaten auf einen Militärfriedhof außerhalb Tallinns zu verlegen. Gegen diesen Schritt wehrten sich laut der Bundeszentrale für Politische Bildung russischsprachige Gruppen in Estland. Demonstrationen mit zahlreichen Festnahmen und Verletzten waren die Folge. Die Ereignisse zogen eine Reihe offizieller und inoffizieller Reaktionen in Moskau und anderen Städten Russlands nach sich, so die bpb 2011.
1989 veröffentliche Bianka Pietrow-Ennker eine Forschungsarbeit zum Thema „Die Sowjetunion in der Propaganda des Dritten Reiches: Das Beispiel der Wochenschau“.
In einer dieser Wochenschauen zertrümmerte ein Arbeiter in der Ukraine 1941, nach der Okkupation durch die Deutschen und dem Rückzug der Roten Armee, mit dem Vorschlaghammer einer Stalin-Büste den Schädel. Die Professorin für osteuropäische Geschichte dazu: „Symbole der Sowjetmacht — der Werktätige als Repräsentant der sie tragenden Klasse, der Hammer als Teil des Staatsemblems — sind jetzt Werkzeuge der nationalsozialistischen Propaganda, mit der die Sowjetideologie in ihrem Kern getroffen, ad absurdum geführt werden soll.“
Ich denke, dass sowas im kollektiven russischen Gedächtnis noch präsent ist. Es wundert mich daher nicht, dass der Kreml aktuell von einer „barbarischen Kampagne gegen Monumente für sowjetische Soldaten in baltischen Ländern“ und von „Diskriminierung gegen deren eigene russischsprachige Bevölkerung“ spricht.
Ich verstehe, dass das in den baltischen Ländern anders gesehen wird. Aber ich verstehe nicht, warum sie – wenn sie so stark befürchten, Russland könnte wieder einmarschieren – die Konflikte mit Russland derzeit so zuspitzen. Fast sieht es so aus, als würden sie es auf eine Eskalation anlegen. Doch auch falls die Nato sie verteidigt, würde ein Krieg viele zivile Opfer kosten…
zum Beitrag29.08.2022 , 15:52 Uhr
Ich würde es von mir aus gar nicht irgendwie bezeichnen, weil ich es schlicht nicht weiß. Und um gegebenenfalls einen so vorbelasteten und ideologisch aufgeladenen Begriff wie „Besatzung“ zu wählen, müsste ich mich schon sehr gut mit der Geschichte Osteuropas auskennen. Was ich nicht tue.
zum Beitrag29.08.2022 , 15:51 Uhr
Ich hatte mich auf die Aussage in dem Artikel bezogen, dass die Geschichte des russischen Imperialismus in Polen, Litauen, oder Lettland 200 und sogar 300 Jahre alt sei. Deswegen hatte ich Russland nicht nochmal erwähnt.
Letztlich weiß ich aber gar nicht, welche geschichtlichen Geschehnisse die Autoren konkret meinen, vielleicht gehören die Teilungen Polens nicht dazu. Keine Ahnung. Ich kenne mich mit der Geschichte dieser Länder nicht aus. Es mag also sein, dass ich etwas vermische.
zum Beitrag29.08.2022 , 11:14 Uhr
Zunächst einmal hat die Rote Armee die Länder Osteuropas von deutscher Besatzung befreit, oder? Allerdings wurden dann Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dieser Staaten dem sowjetischen Gesellschaftsmodell angepasst. Dafür verwenden Sie den Begriff „Besatzer“.
So wird es sicher auch heute in den mittelosteuropäischen Ländern gesehen und bewertet. Nur eben nicht von allen Bevölkerungsteilen, siehe die Proteste der russischen Bevölkerung Lettlands gegen das Stürzen sowjetischer Denkmäler, die ich erwähnt hatte.
Wie Geschichte bewertet wird, ist immer auch Interpretationssache. Das war oder ist in der Ukraine ja auch so – ein Teil der Bevölkerung bewertete die Sowjetunion negativ und wollte raus aus der Verbindung mit Russland, hin zum Westen. Ein anderer Teil – aus dem großen russischstämmigen Bevölkerungsanteil – fühlte sich weiterhin mit Russland verbunden. Diese beiden unterschiedlichen Bewertungen und entgegengesetzten Ausrichtungen sind doch der Hintergrund des jetzigen Krieges, dem der Euromaidan, die Annexion der Krim und acht Jahre Krieg im Donbass vorausgingen.
Es ist eigentlich immer schräg, wenn man die Welt so sieht, dass die einen extrem böse und die anderen im Umkehrschluss gut sind. Insofern haben Sie Recht mit Ihrer Kritik an bestimmten linken Sichtweisen. Nur wird ja momentan im gesellschaftlichen Diskurs der „Extrem Böse“-Part eindeutig Russland zugeordnet, die Interessen der Nato werden außer Acht gelassen und die Ukraine sowie die mittelosteuropäischen Länder, die sich von Russland bedroht sehen, sind die „Guten“.
zum Beitrag29.08.2022 , 09:59 Uhr
Das waren keine rhetorischen Fragen, sondern Verständnisfragen. Und Frankreich hat schon eine Rolle bei den Teilungen Polens gespielt. Jedenfalls wenn man Wikipedia glaubt, das schreibt: „Infolge seines Sieges über Preußen und dem Frieden von Tilsit schuf Napoleon Bonaparte 1807 das kurzlebige Herzogtum Warschau als französischen Satellitenstaat. Es bestand zunächst aus den Gebieten, die Preußen in der zweiten und dritten Teilung gewonnen hatte und wurde 1809 durch den Frieden von Schönbrunn um Westgalizien, das österreichische Teilungsgebiet von 1795 vergrößert.“
zum Beitrag28.08.2022 , 18:46 Uhr
Ich finde den Ansatz gut, die unterschiedlichen geografischen und historischen Perspektiven zu berücksichtigen. Jedoch verstehe ich einiges in dem Artikel nicht.
Es heißt darin, die kollektive Vorstellungskraft der polnischen Bevölkerung sei durch Filme wie Andrzej Wajdas „Der Kanal“ (1956) geprägt worden, eine Geschichte der Warschauer Aufständischen von 1944, die in den Abwasserkanälen unter Warschau von deutschen Soldaten getötet wurden, ohne dass die sowjetische Armee auf der anderen Seite der Weichsel zu Hilfe kam.
Es ist schlimm, dass die sowjetische Armee nicht zu Hilfe kam, aber die Haupttäter waren hier doch die deutschen Soldaten, also die deutsche Besatzungsmacht. Wieso richtet die Wut sich dann hauptsächlich gegen die sowjetische Armee? Wieso lässt der Einmarsch Russlands in die Ukraine „diese Vergangenheit“ wieder lebendig werden?
Frau Wigura und Herr Kuisz schreiben, dass die Geschichte des russischen Imperialismus in Polen, Litauen, oder Lettland 200 und sogar 300 Jahre alt sei. Ist das die Erklärung für die heutige Westorientierung bei gleichzeitiger Angst vor Russland? Doch was ist mit den Teilungen Polens durch Preußen, Österreich, Frankreich? Was mit der Ermordung Zehntausender polnischer Zivilisten durch ukrainische Nationalisten im Zweiten Weltkrieg, über die kürzlich die Tageschau berichtete? Das ist alles sehr komplex und nicht leicht zu verstehen…
Lettland hat gerade das sowjetische Siegesdenkmal abgerissen, weitere 68 sowjetische Statuen sollen folgen. Dies alles, wie ich gelesen habe, trotz der Proteste der russischen Minderheit, die immerhin etwa 30 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Verschärft man mit einem solchen Umgang mit der Geschichte nicht erst recht Spannungen, die die Kriegsgefahr erhöhen?
zum Beitrag