Vergessene Elektrobusse

VERKEHR Die Bundesregierung und die EU subventionieren das Elektroauto. Doch das reduziert weder die Emissionen, noch macht es die Straßen sicherer

■ ist seit 2004 Mitglied des Europäischen Parlamentes (EP). Nach zehn Jahren als verkehrspolitischer Sprecher der Grünen wurde er im Juli 2014 zum Vorsitzenden des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN) gewählt.

Ohne einen einzigen Cent aus der Staatskasse waren 2014 schon 1,6 Millionen Elektrofahrräder unterwegs, von den milliardenschwer unterstützten Elektroautos aber nur knapp 130.000. So wird der Klimawandel nicht gestoppt.

Nach der trügerischen Hoffnung auf Agrosprit setzen jetzt viele auf das Elektroauto. Doch ob die Umweltbilanz – und dazu gehört die gesamte Kette von der Produktion über die Nutzung bis hin zum Verschrotten und Recyceln – wirklich besser ist, hängt auch von der Stromquelle ab. Ideal wären erneuerbare Energien. Doch die reichen nicht einmal ansatzweise für den bisherigen Stromverbrauch.

Dabei ist die Elektromobilität nichts Neues. Es gibt sie schon seit 1881, als die erste Straßenbahn in Deutschland fuhr. An diese Tradition hätte die staatliche Förderung anknüpfen müssen, denn die Emissionen sind nur eines von fünf Problemen der Automobilität.

Atomlobby will E-Auto

Erstens ist das Elektroauto zwar beim Fahren emissionsfrei, doch über den gesamten Lebenszyklus ist seine Ökobilanz nicht besser. Zweitens wird der gesundheitsschädliche Lärm durch die Geschwindigkeit sowie den Reifen- und Straßenbelag stärker beeinflusst als durch den Antrieb. Drittens macht der Antrieb die Autos nicht sicherer, was angesichts von täglich 70 Toten auf den Straßen der EU jedoch nötig wäre. Viertens erzeugt jedes Auto in Deutschland pro Jahr ungedeckte Kosten in Höhe von 2.100 Euro, wenn die Folgekosten mitgerechnet werden. Und schließlich bleibt auch das Problem des Flächenverbrauchs ungelöst, denn jeden Tag verschwinden in Deutschland etwa 100 Hektar (!) unter Beton und Asphalt, was die Bundesregierung bis 2020 auf 30 Hektar reduzieren will. Auch dafür ist das E-Mobil ist keine Lösung.

In Frankreich und Japan ist der Hype ums E-Car eng verbunden mit den Interessen der Atomlobby, in Deutschland mit denen der Autobauer. Angesichts der Debatte über den Klimawandel fürchten beide um ihre Pfründe. Und für viele Konsumenten ist es attraktiv, einfach nur auf ein ökologisch verträglicheres Fortbewegungsmittel umzusatteln, anstatt den eigenen automobilen Lebensstil zumindest teilweise zu überdenken. Dabei ist der Verkehr in der Europäischen Union für ein Viertel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Während diese seit 1990 in der Industrie um 32 Prozent und in den Haushalten um 24 Prozent reduziert werden konnten, haben sie im Verkehr im selben Zeitraum um 28 Prozent zugenommen. Der Verkehr frisst all das auf, was in anderen Sektoren mit Milliarden unserer Steuergelder erreicht wurde.

Radikale Verkehrswende

Diese Zahlen sprechen für eine radikale Verkehrswende. Das E-Car kann dazu zumindest heute nichts beisteuern – allein schon, weil es 20.000 bis 30.000 Euro mehr kostet. Von Nachteil sind auch die schweren Batterien und die begrenzte Reichweite. Mit 60 Liter Diesel fährt ein neuer Pkw rund 800 Kilometer. Derzeit kommen E-Autos mit einer Batterieladung in der Regel nur rund 80 bis 150 Kilometer weit. Durch E-Cars könnte es sicherlich zu einer Verbesserung der Speichertechnologie kommen. Die Königliche Akademie der Wissenschaften in Großbritannien hat errechnet, dass der Strombedarf auf der Insel dann aber trotzdem um 16 Prozent steigen würde. Dafür müsste Großbritannien, das mit der Atomenergie liebäugelt, sechs neue Atomkraftwerke bauen.

Trotz vieler ungelöster Probleme will die Bundesregierung bis 2020 eine Million E-Cars auf den Straßen haben. Angesichts von knapp 50 Millionen Fahrzeugen ist diese milliardenschwere Subvention kein Beitrag zur Reduzierung der Emissionen. Ein Tempolimit auf Autobahnen brächte 3 Prozent weniger Schadstoffemissionen und eine Tempo-30-Zone sogar 12 Prozent. Schauen wir über Europas Grenzen hinweg, werden die Dimensionen noch deutlicher. In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Autos in China verdoppelt. Wenn die Chinesen nur annähernd so viel Auto fahren wie wir, fährt morgen niemand mehr – weil es nicht genug Öl, Lithium für die Batterien und nicht genug Stahl gibt – und noch viel weniger Platz. Und wir können nicht in einer großen Limousine sitzend die Chinesen belehren, dass der Autoverkehr gefährlich und klimaschädlich ist. Überzeugender wäre es, zu demonstrieren, dass man mit einer klugen Verkehrspolitik die Mobilität sichern und das Klima schützen kann.

Modell Elektrobus

Der frühere Münchner Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel: „Das Auto mordet unsere Städte! Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“

Dabei kann der elektrische Antrieb von ökologischem Nutzen sein – aufgrund der Nutzungsprofile vor allem für Schienenfahrzeuge, Straßenbahnen und E-Busse. Für Autos ist nur dann ein positiver Effekt für die Umwelt zu erwarten, wenn deren Zahl reduziert wird. Schon 1972 hatte der damalige Bürgermeister von München, Hans-Jochen Vogel (SPD), gesagt: „Das Auto mordet unsere Städte! Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Ein Auto fährt durchschnittlich nur eine Stunde am Tag. Anders sieht es mit den Bussen aus. Ein 18-Meter-Bus ist täglich viele Stunden unterwegs; jedes Jahr verbrennt er 40.000 Liter Diesel und stößt mehr als 100 Tonnen CO2 aus. Da die Probleme der Ladestationen bei E-Bussen im öffentlichen Verkehr sofort und kostengünstig lösbar sind, ist es ein Fehler, dass beim Ausgeben unserer Steuergelder die öffentlichen Busse nahezu ignoriert werden. Ein elektrischer Bus kann dank höherer Effizienz und Rückspeisung der Bremsenergie mit einem Fünftel des Energieverbrauchs seines Pendants mit Dieselantrieb auskommen.

Eine radikale Verkehrswende ist nötig und möglich: London und Stockholm haben per City-Maut das Auto de facto zum unerwünschten Fahrzeug in ihren Innenstädten erklärt, und in Kopenhagen fahren 53 Prozent der Menschen mit dem Rad zur Arbeit. In den deutschen Städten sind 90 Prozent aller Autofahrten kürzer als sechs Kilometer – Entfernungen, die bestens für Bus, Bahn, Rad und zum Zufußgehen geeignet sind. Wir können die Mobilität sichern und das Klima schützen. Dann, und nur dann, haben unsere Kinder und deren Kinder eine Perspektive, auf diesem Planeten zu leben.

MICHAEL CRAMER