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Archiv-Artikel

Bauernopfer helfen hier auch nichts

BERICHT ZUM LAGESO

Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hat die Reißleine gezogen, ein kleines bisschen. Am Donnerstag hat er nach dem vernichtenden Bericht der Wirtschaftsprüfer dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) und dessen Chef Franz Allert die Zuständigkeit für die Unterbringung von Flüchtlingen entzogen. An allen anderen Baustellen darf weiter gepfuscht werden: Das Lageso wird Flüchtlinge auch künftig mit nicht einlösbaren Hostelgutscheinen in die Obdachlosigkeit schicken, ihnen wochenlang Krankenscheine oder Geld vorenthalten oder ihnen bei der Wohnungssuche keine Hilfe sein. Czajas Sandkastenrevolution wird daran nichts ändern.

Dabei hätte der Senator allen Grund, den Chef dieser Behörde in die Wüste zu schicken. Schließlich hat er nun schwarz auf weiß, dass das Lageso seit Jahren gegen Gesetze verstoßen hat. Vergabe- und Haushaltsrecht? Kennen wir nicht. Kontrollen, Rechnungsprüfung, Planung? Machen wir nicht. Einer unserer Freunde braucht eine kleine Finanzspritze? Kein Problem.

Kritiker monieren dieses Gebaren seit Jahren. Passiert ist lange nichts – weil es niemanden interessiert hat, schon gar nicht den politisch Verantwortlichen: Czaja. Die Unterbringung von Flüchtlingen war und ist eine lästige Pflicht, die man erbringen muss. Sonst schlafen die Leute in U-Bahnhöfen oder Parks und das ist nicht gut für die nächste Wahl. Also ruft man bei Bedarf seine Spezies in der Privatwirtschaft an, die hopplahopp eine Notunterkunft einrichtet. Wie es dort aussieht, ob die Leute betreut werden und zu ihrem Recht kommen? Wen schert’s!

Und so hätte es munter die nächsten 100 Jahre weitergehen können, wäre nicht bekannt geworden, dass einer dieser Spezies der Patensohn von Allert ist. Das hat zwar vermutlich nichts zu tun mit der systematischen Schlamperei beim Lageso – aber wenn sogar Springers BZ Vetternwirtschaft riecht, entwickeln Politiker ungeahnten Handlungswillen. Nun hat Czaja sein klitzekleines Bauernopfer präsentiert – vermutlich in der Hoffnung, dass nun wieder Ruhe im Puff ist. Wenn er sich da mal nicht getäuscht hat.

SUSANNE MEMARNIA

Bericht SEITE 52