DIE LIEBESERKLÄRUNG : Die Ausgeschiedene
Bei „Wer wird Millionär“ scheiterte eine Kandidatin an der ersten Frage. Sie sollte unser Vorbild sein
Am Montagabend wurde sie geboren, die neue Heldin einer ganzen Generation. Die Heldin der Überforderten, der immer Bereiten, denen im entscheidenden Moment die Puste ausgeht. Bei der Prüfung. Beim Vorstellungsgespräch. Beim großen Auftritt. Eine Aachener Modedesignstudentin scheiterte in der Quiz-Sendung „Wer wird Millionär“ schon an der ersten Frage: „Seit jeher haben die meisten … A: Dober Männer, B: Cocker Spaniels, C: Schäfer Hunde, D: Riesen Schnauzer“. Die 20-Jährige entschied sich für D. Richtig war C. Und so dauerte ihr Auftritt nur 45 Sekunden – es war der kürzeste eines Gastes bei Günther Jauch. Fünf Millionen ZuschauerInnen sahen das.
„Totalabsturz“, „Desaster“, „Bildungs-Prekariat“ titelten die Zeitungen. Die Online-KommentatorInnen waren noch gehässiger. Dabei ist es doch auch deren größte Angst: im entscheidenden Moment zu versagen. Jene Menschen können von der Studentin einiges lernen. Schließlich leben sie im Zeitalter von Burnout und Depression – Krankheiten also, die das körperliche und psychische Totalversagen als einzigen Ausweg aus dem auf Dauerleistung getrimmten Systems inszenieren.
Und die junge Frau nahm es dennoch gelassen. „Schnell, aber schön“, kommentierte sie ihr Aus ganz cool.
Weniger locker nahmen das Ganze einige Politiker. Sie spekulierten darüber, ob der kurze Auftritt eine Demonstration des Versagens des deutschen Bildungssystems gewesen sei. Oder des nordrhein-westfälischen. Und so entfaltete sich im Nachgang auch eine kleine Bildungsdebatte.
Zwar ist es ziemlich dumm, den Bildungsstand ausgerechnet an einer RTL-Quiz-Show messen zu wollen, in der kontextloses Wissen abgefragt wird. Aber Kritik an einem Bildungssystem, das daran krankt, genau wie „Wer wird Millionär“ in GewinnerInnen und VerliererInnen zu teilen, ist nie verkehrt. SONJA VOGEL