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Archiv-Artikel

„Lebensweltliche Aspekte“

VORTRAG „Salafismus als Jugendkultur“ betrachtet Extremismus als soziales Phänomen

Hazim Fouad 

30, Islamwissenschaftler beim Senator für Inneres und Sport, Landesamt für Verfassungsschutz Bremen.

taz: Herr Fouad, was sind Ihrer Einschätzung nach Kennzeichen einer Jugendkultur im Salafismus?

Hazim Fouad: Das sind zum einen die Themen, die aufgegriffen werden, die lebensweltliche Aspekte der Jugendlichen betreffen, wie zum Beispiel Ausgrenzung und Diskriminierung. Zum anderen ist es die Art und Weise, wie Medien genutzt werden.

Wie werden sie eingesetzt?

Zum Beispiel indem popkulturelle Elemente in Videos eingearbeitet werden, zum Teil ähneln sie in ihrer Aufmachung der von Rappern. Es gibt auch einen Comicfilm namens „Super Muslim“ – angelehnt an Superman. Das klingt erst einmal lustig, es werden aber problematische Inhalte verarbeitet. Es sind Codes, die die hiesigen Jugendlichen erkennen und die an ihre Realität andocken. Das kennt man auch von anderen radikalen Jugendgruppen, die Jugendliche in deren „Sprache“ erreichen.

Was macht den Salafismus für junge Menschen so attraktiv?

Es handelt sich auch um eine Form der Protestbewegung und gleichzeitig eine Art Willkommenskultur. Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl und der Eindruck wird gestärkt, einer bestimmten Elite anzugehören. Salafismus ist auch ein identitätsstiftendes Merkmal.

Ist die Bedrohung von Salafisten stärker als die von anderen radikalen Jugendgruppen?

Zwischen ihnen gibt es strukturelle Gemeinsamkeiten. Der „Vorteil“ der Salafisten ist, dass sie offen für alle sind, unabhängig von sozialem Status oder Hautfarbe. Innerhalb der Gruppe sind sie generell demokratiefeindlich und werten Andere ab. Im Salafismus ist zudem Verzahnung mit der militanten Szene, dem Dschihadismus und den damit verbundenen Ausreisen, problematisch, die in dieser Dimension auch nicht vergleichbar ist mit links- oder rechtsradikalen Gruppen in Deutschland.

Sind alle Salafisten gewaltbereit?

Nein. Laut Verfassungsschutz gibt es bundesweit 7.300 Salafisten, davon werden ungefähr 1.000 als gewaltbereit eingeschätzt.

Welche Auswirkung hat Ihr Verständnis von Salafismus als Jugendkultur auf Ihre Arbeit im Verfassungsschutz?

Wir verstehen Salafismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen und wollen mit Aufklärung und der Veröffentlichung von Informationen Präventionsarbeit leisten. Es ist wichtig, Salafismus im Gesamtkontext zu verstehen und Extremismus von Religion zu trennen.

INTERVIEW: NELE WAGNER

„Salafismus als Jugendkultur“: Michael-Kirche, Rembertiring, 20 Uhr