Bereichert an reichen Alten

SENIORENRESIDENZEN Führende Verantwortliche des Sozialkonzerns Augustinum sollen krumme Deals mit einer Heider Immobilienfirma gemacht haben – und Millionen in die eigenen Taschen gesteckt

„Selbstbestimmt leben, gut betreutes Wohnen“: Am Slogan der christlichen Unternehmensgruppe Augustinum für eine sorglose Altersruhe könnten die Bewohner der Seniorenresidenz Aumühle im Sachsenwald derzeit so ihre Zweifel haben – der Eigentümer hat beim Lübecker Landgericht eine Räumungsklage eingereicht. Es dürfte sich um den vorläufigen Höhepunkt eines Wirtschaftskrimis handeln, bei dem es um Betrug und Korruption im großen Stil geht.

Zwischen 2010 und 2013 verkaufte der Augustinum-Konzern – mit Standorten in Braunschweig, Mölln, Hamburg und Aumühle – 14 seiner bundesweit 23 Stifte an die Nordic Kontor GmbH im schleswig-holsteinischen Heide. Zugleich mietete Augustinum die Häuser, in denen fast 7.400 Senioren für zwischen 1.430 und 4.740 Euro pro Monat zahlen, wieder zurück: Eine „Sale and Lease back“-Strategie, wie sie etwa Kaufhauskonzerne gerne nutzen, um Kapital in die Kassen zu spülen.

Bei Augustinum soll es – so die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf ein bisher nicht öffentliches Urteil des Landgerichts München – anders gelaufen sein. Nordic Kontor soll für den Kauf ein Darlehen von 662 Millionen Euro bekommen haben – von Augustinum, also dem Verkäufer. Zurück zahlte Nordic Kontor dieses Darlehen monatlich: in Form der Mieteinnahmen.

Den Deal mit der Klein-GmbH – Nordic Kontor hat nur die notwendigen 25.000 Euro Eigenkapital –, die zudem damals frisch gegründet war, hatten laut Augustinum-Homepage der seinerzeit amtierende Vorstandsvorsitzende und kaufmännische Geschäftsführer Kurt Wilkin sowie der mittlerweile verstorbene Aufsichtsratschefs Artur Maccari eingefädelt und forciert – und dabei, so das Münchener Gericht, den Wert der 14 Immobilien viel zu niedrig ansetzten. Zusammen mit den beiden Nordic-Kontor-Geschäftsführer sollen die beiden schon bei dieser Transaktion 35 Millionen Euro an Provisionen in die eigenen Taschen abgezweigt haben. Verschleiert wurden die Geldtransfers demnach mittels fingierter Rechnungen durch eine zwischengeschaltete Schweizer Treuhandgesellschaft.

Das große Kassenklingeln hatten alle vier Beteiligten wohl erst in einigen Jahren geplant: durch den lukrativen Weiterverkauf der seinerzeit unter Wert erworbenen Immobilien nach Ablauf der Mietverträge. Ein anonymes Schreiben an die Augustinum-Spitze ließ den Coup im Frühjahr vorigen Jahres platzen. Wilkin wurde fristlos gekündigt, er kam für ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Seine Unschuld beteuert er bis heute.

Nach dem Urteil des Landgerichts München, das im Streit um das Stift Aumühle die Umstände des Kaufs als „sittenwidrige Schädigung“ eines Sozialkonzerns für nichtig erklärte und das Verhalten für „besonders verwerflich“ bezeichnete, ist Augustinum-Geschäftsführer Joachim Gengenbach guter Dinge, dass der Konzern mit einem blauen Auge davon kommt.

Er hofft, dass die Darlehensforderungen bald wieder als Immobilienvermögen in der Bilanz auftauchen. Dazu müssten weitere Gerichte die Nichtigkeit der Verträge feststellen, erklärte Augustinum gestern: „Die gesunde wirtschaftliche Lage des Augustinum ist durch die Vorfälle auch bei maximaler Risikobetrachtung in keinster Weise gefährdet.“  KVA