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Kiffen auf dem Klo

DEBÜT Westwärts zieht es Dorotka, Heldin aus „Made in Ash“, Erstlingsfilm der Slowakin Iveta Grófová

„Made in Ash“, der Debütfilm der slowakischen Regisseurin Iveta Grófová, erzählt eine klassische Geschichte: Obgleich sie einen guten Schulabschluss hat, findet die junge Dorotka in ihrer slowakischen Heimatstadt Bardejov keine Arbeit. Ihre Familie, die in einer ärmlichen Romasiedlung wohnt, drängt sie, endlich Geld zu verdienen. So zieht sie nach Aš, eine Kleinstadt im Nordwesten von Tschechien, nahe der deutschen Grenze, um dort in einer Textilfabrik zu arbeiten, die für den Weltmarkt produziert.

Die Kleinstadt ist nicht wirklich einladend, und die Sechziger- und Siebziger-Jahre-Architektur wirkt vermutlich nur für Zuschauer aus dem Westen nostalgisch. Die Arbeit ist hart, die Vorarbeiter sind streng. Dorotka wohnt in einem Haus mit anderen Arbeitsmigrantinnen, kräftigen, lebenserfahrenen Frauen, Mitte 50, die meisten kommen aus der Slowakei und der Ukraine. Sie freundet sich mit ihrer lebenslustigen Zimmergenossin Silvia an. Manchmal kiffen sie auf dem Klo.

Auf der Straße

Erst regelmäßig, dann in größeren Abständen telefoniert Dorotka mit ihrem Freund Dodi, der in der Heimat geblieben ist. Die Telefonate führt sie von einem verschneiten Platz aus, der von einer öffentlichen Webcam überwacht wird, so dass ihr Freund sie beim Telefonieren beobachten kann. Infolge der Wirtschaftskrise müssen Fabrikarbeiter entlassen werden. Die Ersten, die es trifft, sind die Arbeitsmigrantinnen. Die mongolischen Arbeiterinnen haben Glück im Unglück, da ihre Flugtickets von der Regierung bezahlt werden. Die Arbeiterinnen aus der Ukraine und der Slowakei sitzen dagegen auf der Straße.

Versuche, im Einzelhandel zu arbeiten, scheitern, da Dorotka kein Tschechisch spricht. Durch ihre Freundin Silvia gerät sie in die Randbereiche der Prostitution. Sie tanzen in Tabledance-Bars, steigen zu deutschen Männer ins Auto, feiern Sexpartys mit Koksen.

Irgendwann trifft Dorotka den Bauern Johann, ein Mannsbild, Mitte fünfzig. Er hat Haus und Auto und sucht eine Frau. Er führt die beiden Mädchen aus, auf einen kleinstädtischen Rummelplatz, in die Geisterbahn und träumt von einer Ehe mit Doratka.

Iveta Grófová vermeidet es in ihrem Film, der für den Oscar nominiert war, die deutschen Sextouristen zu denunzieren. Die meist vierschrötigen einsamen Männer, die im Grenzgebiet wohnen, sind nicht schön, aber vielleicht doch verlässlich.

„Made in Ash“ ist sehr direkt, meist mit kleiner Kamera gefilmt, teils auch mit Handys, und enthält vor allem am Anfang viele schöne, teils auch anrührende Animationen. DETLEF KUHLBRODT

■  „Made in Ash“. Regie: Iveta Grófová. Mit Dorotka Billá, Silvia Halusicová u. a. Slowakei 2012, 80 Min., im Kino Krokodil und im fsk am Oranienplatz

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