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Archiv-Artikel

Unter Dauergeballer

AUFTAKT Das deutsche Team startet gegen die starkgeredete Elfenbeinküste mit 10:0. Nun wird vor Norwegen gewarnt

AUS OTTAWA DORIS AKRAP

Die Stimmung unter den deutschen Frauen könnte nicht besser sein. Sasic, Laudehr, Goeßling oder die Trainerin – so unterschiedlich die Charaktere, so einig waren sie sich nach dem Ende des Auftaktspiels gegen die Elfenbeinküste, das Anja Mittag so zusammenfasste: „Es war cool und hat Spaß gemacht.“ Mit dem 10:0-Sieg hat das deutsche Team einen Turnierstart hingelegt, der sogar in die Nähe des eigenen Rekords kommt. Das 11:0 gegen Argentinien im WM-Auftaktspiel in China 2007 ist immer noch der höchste Sieg in der WM-Geschichte.

Dabei war der Weltranglistenerste nicht so siegessicher in das Spiel gegen die Nr. 67 der Weltrangliste und damit dem nominell schwächsten Team der WM gegangen, wie man sich das so vorstellen könnte. Spielerinnen und Trainerin sprachen vorab stets von einem „sehr starken“ Team, das man erst mal überwinden müsse. Auch wenn einem das lächerlich vorkommen mag, dahinter verbirgt sich ein Motivationsfaktor. Dass sie technisch definitiv das bessere Team sind, das wussten die Deutschen. Aber wie bissig und kampfwillig können sie sein? Wie stark können sie den Druck verarbeiten, hier eine Glanzpartie hinlegen zu müssen? Wie sehr sind sie wirklich ein Team, das die Niederlage bei der WM zu Hause verarbeitet hat?

Den strahlenden Gesichtern und den Aussagen der Spielerinnen nach dem Spiel war echter Stolz anzumerken. Keine abgezockten Kommentare, sondern die Befriedigung, alles gegeben zu haben. „Hellwach“ seien die Spielerinnen gewesen und hätten „mit Schaum vorm Mund“ gespielt, kommentierte Simone Laudehr. Tatsächlich war das Spiel kompakt, flüssig, waren die Pässe und Flanken präzise. Nur im Abschluss gab es bei einigen kleine Überraschungsmomente.

Auch wenn Anja Mittag mit drei Toren zur Spielerin des Spiels gewählt wurde, war es Célia Sasic, die die wichtigsten Tore schoss. Die ersten beiden nämlich. Sie ging entschlossen zur Sache und schoss schon nach drei Minuten den Führungstreffer. Und dann den entscheidenden Anschlusstreffer in der 14. Minute nach einer Flanke von Lena Goeßling. Zwischen den beiden Toren hatte vor allem Alexandra Popp, aber auch Leonie Maier und Tabea Kemme hatten eindeutige Torchancen vergeben. Das ließ zehn Minuten lang Zweifel aufkommen, ob da wirklich der Weltranglistenerste spielt.

Für eine Aussage darüber, ob das deutsche Team nicht nur mit Kampfwillen, sondern auch technisch seiner Favoritenrolle bei dieser WM gerecht werden wird, war das Spiel nicht wirklich geeignet. Die erste Halbzeit fand fast vollständig in der ivorischen Hälfte statt. Nur Linksverteidigerin Tabea Kemme ließ einige Male eine Stürmerin durchbrechen. Erst als die Deutschen das Tempo gegen Ende der ersten Halbzeit rausnahmen, schafften es die WM-Neulinge hinter die Mittellinie. Einzig die ivorische Torfrau verhinderte Schlimmeres. Immerhin 17 der 29 Schüsse gingen direkt auf das Tor von Dominique Thiamale. Auch wenn sie technisch nicht immer die allerbeste Figur machte, kämpfte sie um jeden Ball, der ihr vor die Hände kam. Die Lady in Pink wurde dafür auch jedes Mal euphorisch von den 20.953 Zuschauern im Lansdowne Stadium bejubelt. Irgendwann aber legte sie sich einfach auf den Boden. Sie hatte sich zuvor am Oberarm in einer Szene mit Célia Sasic verletzt. Vielleicht wollte sie sich aber auch einfach mal eine Auszeit von dem Dauergeballer der Deutschen nehmen.

Silvia Neid gibt zu Bedenken, dass es nicht so leicht werden wird, hinter die norwegische Abwehr zu spielen wie hinter die der Elfenbeinküste. Bei dieser von Abwehr zu sprechen, ist schon fast euphemistisch. Denn ein Hindernis stellten die weniger dar als eine Einladung. Das Spiel gegen Norwegen am Donnerstag wird bereits das Spiel um den Gruppensieg werden, da der letzte Gegner, Thailand, ungefähr so stark sein dürfte wie die Elfenbeinküste. Die Norwegerinnen hatten die Asiatinnen mit 4:0 souverän besiegt. Die Schwächen benannte Norwegens Trainer Even Pellerud nach dem Spiel recht deutlich: „Gegen Deutschland müssen wir die Abwehr stärken und die Offensive präzisieren. Und wir müssen von Anfang an konsistent sein.“ Auf eines dürfen die Norwegerinnen jedenfalls nicht setzen: Elfmeter. Im Spiel gegen Thailand verschoss Maren Mjelde einen Handelfmeter. Das dürfte Nadine Angerer gefallen. Im gewonnen EM-Finale 2013 hielt die deusche Torfrau gleich zwei Foulelfmeter der Norwegerinnen.

Die Deutschen spielen am Donnerstag aber nicht nur um den Sieg gegen Norwegen. Sie spielen auch um die Herzen des Publikums im Lansdowne Stadium von Ottawa. Das nämlich nahm gegen die Elfenbeinküste klar Partei für den Underdog.