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Archiv-Artikel

Ultimatum für den Härtefall

MACHTPROBE Hamburgs AfD will unbedingt einen Abschiebefan in das Gnadengremium der Bürgerschaft entsenden. Alle anderen Fraktionen lehnen das ab – und drohen jetzt sogar mit einer Gesetzesänderung, um die Rechtspopulisten auszutricksen

Das Ultimatum ist gestellt. Bis Dienstagmittag muss die AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft einen Kandidaten für die parlamentarische Härtefallkommission benennen, den die fünf anderen Fraktionen für wählbar halten. Sonst droht die rot-grüne Koalition – zusammen mit den Oppositionsfraktionen von CDU, Linken und FDP – mit einer gesetzlichen Änderung zu Lasten der AfD. „Wir lassen uns von denen nicht länger auf der Nase herumtanzen“, sagt ein führender Sozialdemokrat nach einem Gespräch der Fraktionsspitzen bei Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) am gestrigen Freitag.

Die AfD will ihren Abgeordneten Dirk Nockemann in das Gremium, das bei Abschiebungen Gnade vor Asylrecht ergehen lassen kann, entsenden. Drei Mal bereits scheiterte die Wahl des Ex-Schill-Anhängers, der von August 2003 bis Februar 2004 Nachfolger Ronald Schills als Innensenator war. Mehr als elf Stimmen erhielt der 56-jährige Jurist, der in Asylfragen als extremer Hardliner gilt, nie; die AfD selbst verfügt über acht Mandate. Seine Gegner weigern sich schlicht, „den Erben von Richter Gnadenlos in das Gnadengremium der Bürgerschaft zu wählen“. Formalrechtlich steht der AfD ein Sitz in dieser Kommission zu – andererseits können die Abgeordneten in geheimer Wahl abstimmen, wie sie es für richtig halten. „Der Heini ist ein No-Go“, sagt ein Sozialdemokrat über Abschiebefan Nockemann.

Wenn die AfD am Dienstag nun keinen gemäßigten Kandidaten zur Wahl in der Plenumssitzung tags darauf vorschlägt, dürfte Nockemann zum vierten Mal durchrasseln. Und dann will die ganz große Koalition aus SPD, CDU, Grünen, Linken und Freien Demokraten das Gesetz über die Härtefallkommission ändern: Dann kann das Gremium bereits arbeiten, auch wenn noch nicht alle Mitglieder gewählt sind. Bislang nämlich blockiert der freie Sitz der AfD die ganze Kommission: Sie darf aus Sicht der Rathausjuristen nicht arbeiten, wenn sie nicht vollständig ist.

Bis zur Sommerpause könnte die Gesetzesänderung zu schaffen sein, der genaue Wortlaut steht noch nicht fest. Ein Vorschlag läuft auf eine Zwei-Drittel-Lösung hinaus: Mit vier von sechs Mitgliedern wäre das Gremium dann arbeitsfähig.

Offen ist, wie die AfD auf das Ultimatum reagiert. „Wir müssen Flagge zeigen“, fordert ein Abgeordneter standhaft. Denn hinter dieser Personalie verbirgt sich auch der interne Konflikt zwischen Hardlinern und gemäßigten Kräften in der Rechtsaußen-Partei: Nockemann ist der schärfste Kritiker des kleinbürgerlichen Fraktionsvorsitzenden Jörn Kruse, den er für zu weich hält. In einer internen Abstimmung vor zwei Wochen lehnte der Nockemann-Flügel mit sechs zu zwei Stimmen Kruses Vorschlag ab, einen anderen Kandidaten zu benennen.

Kruse entschuldigte sich dafür bei Politikern anderer Fraktionen. Kann er sich nun wieder nicht durchsetzen, ist er wohl die längste Zeit AfD-Fraktionschef gewesen.  SVEN-MICHAEL VEIT