: Vom Ende des Jetzt
NACHHILFE Kann man die Relativitätstheorie von Albert Einstein verstehen? Ein Erklärungsversuch mit Sylvia Schikora von der Kinder-Uni
■ Es war Anfang Juni 1915, dass Albert Einstein an der Archenhold- Sternwarte den ersten öffentlichen Vortrag in Berlin – der Physiker lebte von 1914 bis 1932 in der Stadt – zur Relativitätstheorie hielt. Was jetzt, hundert Jahre später, heute am Samstag mit einer „Einstein-Nacht“ am historischem Ort gefeiert wird, also in der Archenhold-Sternwarte im Treptower Park.
■ Mit dem Programm soll dabei ein weiter Bogen von der Entwicklung der Relativitätstheorie bis in ihre Gegenwart geschlagen werden. Beginn ist um 17.30 Uhr mit einem Stummfilmkonzert, bei dem man mit „Wunder des Kosmos“ (1922) auch erste Einblicke in die Relativitätstheorie bekommt, um 19.30 Uhr wird in einem Vortrag „Albert Einstein als Mensch und Wissenschaftler“ vorgestellt, um 21 Uhr klären junge Wissenschaftler in einem Science Slam, wie Relativität funktioniert. 12/9 Euro, Alt-Treptow 1. (tm)
VON LUCA SCHULTE-GÜNNE
Es wäre damals bestimmt interessant gewesen, sich zum Ende von Albert Einsteins Vortrag vor die Archenhold-Sternwarte in den sommerlichen Treptower Park zu stellen. An den Ort, wo der Physiker am 2. Juni 1915 in Berlin erstmals in einem öffentlichen Vortrag seine Spezielle Relativitätstheorie vorstellte und dabei gleich auch Einblicke in die Allgemeine Relativitätstheorie, die zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Abschluss stand, gewährte. Man hätte die Leute fragen können, ob sie den Theorien denn folgen konnten. Einige ehrliche Bürger hätten vielleicht zugegeben, dass sie eher weniger verstanden hatten. Damit wären sie auch hundert Jahre später nicht allein.
Sylvia Schikora hat die Theorien verstanden. Die Physikerin kann sie sogar Kindern erklären. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeitet für die Kinder-Uni der Humboldt-Universität. Ob die Sechs- bis Zwölfjährigen die berühmte Formel E = mc[2]dann auch wirklich verstehen, ist unklar. Aber welcher Erwachsene hat diese Formel denn wirklich verstanden?
Man kann es versuchen. Schließlich geht sie uns tatsächlich etwas an. „Ohne die Relativitätstheorie“, verrät Sylvia Schikora, „würden wir uns auf dem Weg in den Urlaub oft verfahren.“ Die GPS-Technik ist nur dank Einstein so präzise. „Seine Gedanken sind Teil unseres Alltags.“
Zu Einsteins Zeit wusste man schon länger, dass Licht immer gleich schnell ist: die Lichtgeschwindigkeit. Das gleiche dachte man über die Zeit. Egal ob man gestresst auf dem Fahrrad fuhr oder gemütlich auf einer Parkbank saß, die Zeit läuft gleich schnell, meinte man.
„Einstein widersprach“, stellt Sylvia Schikora klar: „Er war überzeugt, dass die Zeit langsamer läuft, wenn man sich bewegt. Sie ist abhängig von der Bewegung. Sie ist relativ.“ Damit nennt Schikora eine der zentralen Aussagen der Speziellen Relativitätstheorie.
Albert Einstein veröffentlichte sie 1905. Er war damals 26 Jahre alt. Zehn Jahre später kam die Allgemeine Theorie hinzu. Sie beschäftigt sich mit der Krümmung von Raum und Licht. Keine Aussage seiner beiden Theorien konnte bis heute widerlegt werden.
Laut Einstein ist nicht nur die Zeit relativ. Auch die Länge von Dingen verringert sich, ganz egal, ob es sich um eine herunterfallende Bierflasche handelt, um einen geworfenen Ball oder sogar um einen selbst. „Wenn ich morgens zur Bahn renne, bin ich kleiner“, formuliert Schikora salopp.
Sogar die in ihrer Bekanntheit an Einsteins berühmte zersauste Haare heranreichende Formel E = mc[2]lässt sich darauf herunterbrechen. „Wenn ich joggen gehe, bin ich ebenfalls in dem Moment der Bewegung schwerer. Genau das sagt die Abhängigkeit von Energie (E) und Masse (m), bei gleichbleibender Lichtgeschwindigkeit (c)“, sagt Schikora, und lacht.
Ganz ohne Formeln geht es bei dem Physiker logischerweise nicht. „Aber Einstein gab sich nicht mit hübschen Formeln zufrieden“, erzählt Sylvia Schikora begeistert. „Er stellte praktische Fragen, die die damalige Vorstellungen von Zeit und Raum komplett über den Haufen warfen.“
Eine einfache Frage zeigt die Reichweite. Kann man mit einem Freund, der gerade in einem Bus fährt, die Uhren abgleichen, während man selber an der Bushaltestelle wartet? Einstein widerspricht. Für die beiden Freunde läuft die Zeit unterschiedlich schnell. Das Jetzt, so wie wir es kennen, scheint es nicht zu geben.
Dabei geht es auf der Erde natürlich nur um minimalste Unterschiede. An der Bushaltestelle verpassen wird man sich deswegen nicht.