: Tippen ohne Tabu
DIGITAL LERNEN Rund 1.300 Hamburger Schüler blicken auf den Bildschirm statt an die Tafel. Ein Projekt holt Tablet-Computer in den Unterricht
VON VANESSA RANFT
Wenn Dietmar Kück in seine Klasse guckt, sieht er häufig weder Stifte noch Papier. Stattdessen blickt er mitten im Unterricht auf 24 Schüler, die einen Tablet-Computer in den Händen halten, auf dem Display tippen und wischen und parallel ihr Smartphone zücken. Dabei herrscht an der Stadtteilschule Oldenfelde eigentlich ein Handyverbot – erst recht im Klassenzimmer.
Die Siebtklässler rund um Mathelehrer Kück sind Teil des Pilotprojekts „Start in die nächste Generation“, das digitale Medien in den Unterricht holt, um die Medienkompetenz der Schüler zu stärken. Seit November 2014 ist seine Klasse eingeloggt und nutzt dafür ausschließlich Tablets. Viele seiner Schüler haben sich eigens dafür einen Tablet-Computer angeschafft. Diejenigen, die sich das nicht leisten können, mieten einen für elf Euro im Monat.
Projektleiter Michael Vallendor von der Hamburger Schulbehörde ist der Ansicht, dass ohnehin viele Jugendliche ein eigenes Gerät hätten und sich damit auskennen. „Im Projekt sollen sie nun lernen, es auch schulisch zu nutzen“, sagt Vallendor.
Das Pilotmodell ist auf zwei Jahre angelegt und läuft an insgesamt sechs Hamburger Schulen, darunter drei Gymnasien (Ohmoor, Altona, Osterbek) und drei Stadtteilschulen (Stadtteilschule Oldenfelde, Ilse-Löwenstein-Schule, Schule Maretstraße). Senatskanzlei und Schulbehörde haben es gemeinsam entwickelt und arbeiten nun mit den Bücherhallen zusammen, um den Schülern verschiedene Suchtechniken nahezubringen: „Wir möchten den Schülern jenseits von Wikipedia und Google zeigen, wie man mithilfe von Datenbanken recherchiert“, erklärt Heidi Best von den Bücherhallen, die die Kooperation mit aufgebaut hat und dabei immer wieder festgestellt hat, das Jugendliche nicht wissen, wo sie geeignete Informationsquellen finden.
Damit das Projekt gelingt, musste vorab ein WLAN-Netzwerk in den teilnehmenden Schulen eingerichtet werden. Dieses finanziert die Stadt mit rund 900.000 Euro, denn insbesondere die Schutzeinrichtung, welche die Daten der Schüler schützt und den Jugendmedienschutz sichert, ist kostspielig.
„Ich habe den Eindruck, dass das Netzwerk sehr sicher ist“, sagt Lehrer Dietmar Kück. Hin und wieder verteilt er auf Wunsch der Schüler auch ein Arbeitsblatt, aber ansonsten läuft sein Unterricht ausschließlich digital über die Lernplattform „itslearning“ und das Mathe-Programm “Bettermarks“. Dort gibt es für jeden Lerntyp interaktive Übungen und für jedes Niveau die entsprechenden Aufgaben: Denn das System erkennt, wenn ein Schüler immer wieder denselben Fehler macht und bietet dementsprechend Wiederholungsaufgaben an. „Dadurch ist ein viel individuelleres Lernen möglich“, sagt der Pädagoge.
Auf seinem Gerät ploppen stets die unterschiedlichen Leistungsstände der Schüler auf. Darüber kann er kontrollieren, wie schnell jeder Einzelne arbeitet und wie groß sein Fortschritt ist. „Ich sehe also genau, wo jeder Schüler steht und kann das speziell fördern, in dem ich zum Beispiel schon neue Bereiche freischalte oder Schülergruppen bilde, um ihnen gesammelt etwas zu erklären“, berichtet Kück.
Zur Klassenarbeit hin ist der Wissensstand bei allen Schülern mehr oder weniger gleich. Und in die Prüfung geht es dann mit Tinte und Papier.