: „Fettarschigkeit der Macht“
HÖRKINO Radio-Feature über Folterverstrickungen des Daimler-Konzerns in Argentinien
■ 61, Journalistin, berichtet vor allem für ARD und Deutschlandfunk. Sie lebt in Buenos Aires und ist Mitgründerin der taz.
taz: Ihr Radio-Feature handelt vom Verschwinden von 17 Mercedes-Betriebsräten in Argentinien Ende der 70er-Jahre. Was ist damals passiert, Frau Weber?
Gaby Weber: Es waren Gewerkschafts-Aktivisten, die für höhere Löhne gekämpft haben – zur Zeit der Militärdiktatur wohl auch mit dem Mittel der Sabotage. Von 17 sind 14 verschwunden. Der Konzern hatte ihre Namen an das diktatorische Regime weitergegeben. Sie wurden vom Militär abgeholt und gefoltert und dann vermutlich in Massengräbern verscharrt oder aus einem Flugzeug geworfen.
Woher stammen Ihre Erkenntnisse?
Das entspricht unter anderem den internen Memos der Firma Daimler. Es gibt ein Memo darüber, wie der Betriebschef zur Regierung geht und sagt, dass die Produktivität wieder gestiegen sei und sie mit dem „Verschwindenlassen“ aufhören könnten.
Welche Konsequenzen hatten diese Taten?
Obwohl sich eine breite Allianz von Menschenrechtsgruppen aus Argentinien, den USA und Deutschland bemüht hat, den Fall vor Gericht zu bringen, war das Ergebnis bis jetzt verheerend: Kein Gericht der Welt erklärt sich bereit, gegen die Firma Daimler vorzugehen.
Woran liegt das?
Die Firma hat zu viel Macht. Als das Appellationsgericht in Kalifornien den Fall annahm, hat Daimler den Obersten Gerichtshof der USA angerufen. Industrieverbände der ganzen Welt haben sich dort vorgestellt und gedroht, ihre Investitionen aus den USA abzuziehen, wenn das Verfahren eröffnet würde. Daraufhin hat die Obama-Regierung erklärt, das Urteil aus Kalifornien aufzuheben.
Hat sich der Konzern je zu dem Fall verhalten?
Bei Daimler sagen Sie entweder, dass sie sich nicht äußern, weil der Fall noch bei Gericht anhängig ist. Oder, wenn sie glauben, es mit dummen Journalisten zu tun zu haben, dass alle Vorwürfe aufgeklärt seien – eine glatte Lüge. Sie verweigern sich bis heute, Memos der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sind keinmal auf die Opfer zugegangen – eine selbstgerechte Fettarschigkeit der Macht. INTERVIEW: JPB
Radio-Feature: 20 Uhr, SWB-Kundencenter, Sögestraße/Am Wall. Anschließend: Gespräch mit der Autorin