Herr Geisel und die leise Angst vor der Volksabstimmung

BERLIN Der Senat droht mit einer juristischen Blockade eines Volksentscheids – wieder einmal

BERLIN taz | Das Berliner Volksbegehren für günstigere Mieten könnte am juristischen Widerstand des SPD-CDU-Senats scheitern. Noch bevor die Initiatoren am Montagnachmittag 48.500 Unterschriften für die erste Stufe des Begehrens übergaben, kündigte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) an, den Gesetzentwurf wegen seiner Auswirkungen in Milliardenhöhe vom Verfassungsgericht überprüfen zu lassen. Mit dem Gesetz sollen über die landeseigenen Wohnungsgesellschaften mehr Sozialwohnungen angeboten werden. Der Senat hat jetzt vier Monate Zeit für eine juristische Prüfung.

2006 hatte das Land Berlin Volksbegehren deutlich vereinfacht. Seitdem kamen fünf Initiativen zur Abstimmung, nur eine davon ging ohne Streit zwischen Initiatoren und dem Senat über die Zulässigkeit, die bindende Wirkung oder den Termin der Abstimmung über die Bühne. In zwei Fällen legte der Senat den Abstimmungstermin auf einen gesonderten Tag, obwohl ein Votum gleichzeitig mit anstehenden Parlamentswahlen möglich gewesen wäre. Die Initiatoren der Volksbegehren warfen dem Senat vor, auf eine möglichst niedrige Beteiligung zu setzen, sodass das notwendige Quorum von 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten verfehlt werde. Das Volksbegehren zur Offenlegung der Geheimverträge bei der Privatisierung der Wasserbetriebe wurde vom Senat juristisch blockiert. Erst ein Urteil des Landesverfassungsgerichts machte den Weg frei.

Erst die letzte Abstimmung über die Nichtbebauung des Tempelhofer Flughafens fand parallel zu einer Wahl statt. Die Bebauungsgegner siegten gegen den Senat. Seitdem sorgt sich das Land Berlin um Mehrheiten für seine Pläne. Die Olympiapläne Berlins scheiterten auch an der Furcht vor einer Volksabstimmung. MARTIN REEH

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