: Trillerpfeifen in Pankow
BAUEN Senator Geisel schiebt Neubau von 5.000 Wohnungen auf der Elisabeth-Aue an. Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) unterzeichnet Absichtserklärung nicht mit
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Andreas Geisel (SPD) musste am Montag einen Spießrutenlauf überstehen. Zahlreiche Mitglieder der „Bürgerinitiative Elisabeth-Aue“ hatten dem Bausenator am Morgen vor dem Pankower Rathaus aufgelauert. Mit Trillerpfeifen pfiffen sie ihn aus und hielten ihm Plakate mit der Aufschrift „Ackerland bleibt in Bauernhand“, „Köhne in Geiselhaft“ oder „Keine Bebauung der Elisabeth-Aue“ entgegen, als er das Gebäude betrat. Geisel war auf dem Weg, im Ratssaal eine „Absichtserklärung“ mit den zwei landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Gesobau und Howoge „zur städtebaulichen Entwicklung der Elisabeth-Aue“ zu unterzeichnen – ein Papier für das womöglich größte kommende Wohnungsbauprojekt Berlins.
Stadtquartier bis 2025
Auf dem 74 Hektar großen landeseigenen Grundstück im Norden des Bezirks plant der Senat, bis 2025 ein neues Stadtquartier zu errichten. Rund 5.000 Wohnungen für 10.000 Bewohner sollen auf der Elisabeth-Aue entstehen. Und genau das wollen die Aktivisten – und halb Pankow – nicht. „Die bestehenden Naturflächen und die landwirtschaftlich genutzten Felder müssen erhalten bleiben“, sagte ein Aktivist zur taz. Dies sei wichtig für das Klima und zur Naherholung der Pankower BürgerInnen.
Geisel ließen die Proteste gestern zwar nicht unberührt, die Entwicklung der Elisabeth-Aue habe jedoch eine „hohe Priorität für die Stadtentwicklung insgesamt“, betonte der Bausenator. Nicht nur in der Mitte, auch am Rand der Stadt müsse gebaut werden. Die anvisierte Bebauung auf der Pankower Fläche sei „eine große Chance, dringend benötigten Wohnraum für den Bezirk schaffen zu können“. Die Wohnungsnot könne mit der sogenannten Mietpreisbremse abgemildert werden. Langfristig sei der dynamisch wachsenden Wohnraumnachfrage aber nur „mit Neubau“ zu begegnen.
Was stimmt: Pankow wächst von allen Bezirken am schnellsten. Seit den 1990er Jahren hat es einen Anstieg von 90.000 auf 390.000 Bewohner zu verzeichnen – Tendenz steigend.
„Ich weiß, dass dieses Projekt umstritten ist“, sagte Geisel in Richtung der Kritiker. Er versprach, „mit dem Bezirk, mit den besorgten Anwohnern und nicht gegen diese“ die Planung entwickeln zu wollen.
Ob das gelingt, ist aber mehr als fraglich, denn neben Bürgerinitiativen sowie Naturschutzverbänden wie dem BUND hat vor allem die BVV-Pankow Widerstand gegen den Ausbau der Elisabeth-Aue angekündigt. Anfang Mai stimmte das Bezirksparlament mehrheitlich (Grüne, Linke, CDU) gegen das Vorhaben. Zwischen alle Stühle setzte sich gestern zudem SPD-Bezirksbürgermeister Matthias Köhne, der „das Projekt gut und richtig“ findet, aber wegen des BVV-Drucks und des grünen Regierungspartners die Absichtserklärung nicht mitunterzeichnete.
Um die soziale Mischung des geplanten Quartiers zu garantieren, will der Senat rund ein Drittel mit bezahlbaren Sozialwohnungen errichten. Ein weiteres Drittel soll von Baugruppen oder Genossenschaften erbaut werden. An private Bauherren geht der Rest, so Geisel. Damit könne eine „lebendige Stadtstruktur“ geschaffen werden, glaubt der Bausenator.
Nach Ansicht von Baustaatssekretär Lütke Daldrup soll 2016 mit einem „städtebaulichen Entwicklungskonzept“ für das Areal begonnen und 2017 der Bebauungsplan für die Wohnungen, Kitas, Schulen und das Gewerbe erstellt werden. 2019 könnte Baubeginn sein. Rund eine Milliarde Euro will das Land investieren. Die Vorstellungen, wie das Ganze einmal aussehen soll, sind noch schwammig; eine „Gartenstadt des 21. Jahrhunderts“ hat der Staatssekretär im Visier.