: „Den Koalitionsvertrag nicht neu schreiben“
INTERVIEW Hamburgs neue Grünen-Chefin Anna Galina über die Zusammenarbeit mit der SPD, die eigene inhaltliche Profilierung und den „absurden“ Konflikt um das Olympia-Referendum
■ 31, Politikwissenschaftlerin, war an diversen Bürgerbeteiligungsverfahren beteiligt. Die zweifache Mutter arbeitet an der Leuphana Universität in Lüneburg.
INTERVIEW MARCO CARINI
taz: Frau Gallina, Sie sind neue Vorsitzende der Hamburger Grünen – aber mit nur 56 Prozent der Stimmen gewählt worden.
Anna Gallina: Ich nehme dieses Ergebnis als Ansporn, um auch diejenigen zu überzeugen, die sich nicht für mich entscheiden konnten. Ich weiß, dass mein Rückhalt in der Partei größer ist, als das Ergebnis ausdrückt. Nach den anstrengenden vergangenen Wochen war der Parteitag schlecht besucht. Zudem vergeben Grüne nicht so gerne Vorschusslorbeeren.
Geht Ihre Parteikarriere auch Ihnen selbst ein bisschen fix?
Ich habe lange überlegt, ob dieser Schritt nicht zu früh kommt. Doch meine fünf Jahre Parteimitgliedschaft habe ich intensiv gelebt. Seit 2011 bin ich Beisitzerin im Landesvorstand – das Gremium ist mir also nicht fremd.
In der Partei gibt es deutliche Kritik am Koalitionsvertrag mit der SPD. Welche Aufgabe hat da die Grünen-Spitze?
Den Koalitionsvertrag können wir nicht neu schreiben, aber wenn es um dessen Umsetzung und die politischen Fragen geht, die neu auftauchen werden, werde ich als grüne Parteichefin gegenüber der SPD immer wieder sehr deutlich die grünen Positionen vertreten und ihre Umsetzung einfordern.
An welchen Punkten wollen Sie das grüne Profil schärfen?
Zum Beispiel in der Bildungspolitik. Die Herausforderung ist, unsere politischen Erfolge auch öffentlich deutlich zu machen. Da gab es bislang viel grüne Zurückhaltung. Das Referendum, dass wir nun im Zuge der Olympia-Diskussion als weiteres Element der direkten Demokratie in der Verfassung verankern konnten, ist unser politischer Erfolg …
… den der Vorstand von „Mehr Demokratie“ als Einschränkung der Volksgesetzgebung bezeichnet.
Die Kritik, wir würden durch die Einführung von Referenden den Abbau der Demokratie betreiben, halte ich für absurd.
Sie wollen das grüne Profil schärfen – auch im Sozialen? Die Kluft zwischen Arm und Reich ist derzeit kein grünes Top-Thema.
Das stimmt so nicht. Wir haben hierzu intensiv gearbeitet und sind im engen Kontakt mit den Sozialverbänden. Aber es ist keine leichte Aufgabe, dieses Schere ein Stück zu schließen. Wir können durch eine bessere Bildungspolitik mehr Chancengleichheit herstellen, aber die Hartz-IV-Gesetzgebung verändern wir auf Landesebene nun mal nicht.
Sie haben den Konflikt um Nebahat Güçlüs Auftritt bei einer nationalistischen türkischen Vereinigung geerbt. Ist die Sache ausgestanden, nachdem Güçlü die Grünen verlassen hat?
Ich sehe diesen Konflikt als abgeschlossen an. Allerdings müssen wir für die Zukunft klären, wie wir im Wahlkampf mit bestimmten Communitys und Organisationen umgehen, deren politische Ziele wir so gar nicht teilen. Da müssen wir ein klares Verfahren entwickeln, damit sich in zukünftigen Wahlkämpfen so etwas nicht wiederholt.