Sieg über den Hunger ist möglich

WELTHUNGERBERICHT Die Zahl der Hungernden weltweit sinkt deutlich. Zum Erfolg geführt haben die Förderung von Kleinbauern und soziale Hilfen bei hohem Wachstum

„Je größer die Ungleichheit bei Land, Bildung und Gesundheit, desto schwerer ist es für die Armen, ihre Lage zu verbessern“

WELTHUNGERBERICHT

VON DOMINIC JOHNSON

BERLIN taz | Der weltweite Kampf gegen den Hunger macht große Fortschritte. Diese positive Bilanz ziehen die Vereinten Nationen in ihrem Welthungerbericht 2015. Die Zahl der Hungernden weltweit ist demnach erstmals auf unter 800 Millionen gesunken, genauer auf 795 Millionen. Das seien 167 Millionen weniger als vor zehn Jahren, heißt es in dem Bericht, den die UN-Agrarorganisation FAO, das UN-Welternährungsprogramm WFP und der Agrarentwicklungsfonds Ifad am Mittwoch gemeinsam veröffentlichten.

Der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung liege inzwischen bei 10,9 Prozent, vor 25 Jahren seien es noch 18,6 Prozent gewesen, loben die Autoren des Berichts. Es ist der letzte, bevor die UNO im September eine Bilanz der Millennium-Entwicklungsziele zieht, die Armut und Hunger weltweit halbieren sollten. Immerhin 72 von 129 Entwicklungsländern hätten das Hungerziel erreicht, heißt es.

Die größten Fortschritte von 1990 bis 2014 machten Georgien, Armenien, Dschibuti und Thailand, in denen der Anteil der Hungernden an der Gesamtbevölkerung um mehr als drei Viertel zurückging, dicht darauf folgen Angola, Birma, Peru und Vietnam. Einen starken Anstieg verzeichneten dagegen Irak und Nordkorea sowie in geringerem Ausmaß Sambia, Tansania und die Elfenbeinküste. Nicht aufgelistet sind Somalia, Burundi und die Demokratische Republik Kongo, wo Hunger ebenfalls stark zugenommen hat. Insgesamt haben Lateinamerika, Ost- und Südostasien, Zentralasien sowie Nord- und Westafrika die meisten Fortschritte gemacht, Zentralafrika und Westasien (der Mittlere Osten) am wenigsten.

Höhere Haushaltseinkommen und mehr Arbeitsplätze sind in Entwicklungsländern der Schlüssel zur Armuts- und Hungerbekämpfung. Aber hohes Wirtschaftswachstum allein garantiert nicht den Erfolg. „Je größer die Ungleichheit der Eigentumsverhältnisse bei Land, Wasser, Kapital, Bildung und Gesundheit, desto schwerer ist es für die Armen, ihre Lage zu verbessern“, heißt es im UN-Bericht.

Wichtig sei auch die direkte Unterstützung von Risikogruppen. Den Durchbruch in Äthiopien brachte die Einführung direkter Lebensmittelhilfen und Bargeldhilfen in einzelnen Regionen in den Jahreszeiten, wo Lebensmittelvorräte bereits zur Neige gehen, die nächste Ernte aber noch nicht eingeholt werden kann. So hat Äthiopien den Anteil der Hungernden an seiner Bevölkerung seit 1990 von 75 auf 32 Prozent gesenkt.

Lehrreich ist der Kontrast zwischen Ghana und Tansania, zwei afrikanischen Ländern mit hohen Wachstumsraten und einem deutlichen Rückgang der Armut in den vergangenen zwanzig Jahren. Beide Länder haben eine konsequente Liberalisierungspolitik verfolgt. In Ghana ist der Anteil der Hungernden an der Bevölkerung seit 1990 von 47,3 auf unter 5 Prozent gesunken – in Tansania ist er von 24,2 auf 34,6 Prozent gestiegen. Warum? Ghana hat in seine Kleinbauern investiert, die lokale Lebensmittelproduktion gesteigert und mit höheren Staatseinnahmen soziale Transferleistungen für die Ärmsten eingeführt – Tansania hat zugelassen, dass seine Kleinbauern von der globalen Agrarindustrie verdrängt werden.