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Archiv-Artikel

Feddersens Top Five

EUROVISION SONG CONTEST Samstagabend treten 27 Länder an, um den ESC 2015 in Wien zu gewinnen. Wer Chancen auf den Sieg hat, weiß unser Autor Jan Feddersen und verrät seine Favoriten – geordnet nach Startplätzen

1. SLOWENIEN: Maraaya „Here For You“ – elektronisch angehauchte Nummer – gleichwohl bleibt ein Rätsel, weshalb sie unter Windmaschinenbeschuss Kopfhörer trägt. Prognose: unteres Fünftel.

2. Frankreich: Lisa Angell „N’oubliez pas“ – ein Antikriegslied, aber stilistisch in viel zu pompöser Mahnwachenästhetik gehalten. Prognose: unteres Drittel.

3. Israel

Nadav Guedj „Golden Boy“ – der Spross jüdischer Franzosen und nunmehr Israeli besticht durch seine Tanzlust – und er tut dies mit dem augenzwinkernden Touch eines bewegungsfreudigen Welpen. 16 Jahre ist das Kerlchen. Achtung: Fransenpuschen! Prognose: oberes Fünftel. Drei Mal gewann Israel: 1978 Izhar Cohen & The Alpha Beta, 1979 Gali Atari and Milk & Honey sowie 1998 Dana International.

4. Estland

Elina Born & Stig Rästa „Goodbye To Yesterday“ – hübsches Paar, das eine Art One-Night-Stand miteinander thematisiert und nicht froh darüber werden will. Netter Sound wie von Hazlewood & Sinatra, aber mit stärkerer Gitarrenbasis. Prognose: Top Ten. Das nördlichste der baltischen Länder debütierte beim ESC 1994. Zum 21. Mal nimmt es an der Finalwoche eines ESC teil. In Kopenhagen gelang kein Finaleinzug – aber nie endete man auf einem der letzten Ränge.

5. Vereinigtes Königreich: Electro Velvet „Still In Love With You“ – eigens für den ESC angemietete Solisten, die sich noch vor wenigen Monaten nicht kannten. Hat Schwung. Prognose: alles zwischen Platz 9 und 27.

6. Armenien: Genealogy „Face the Shadow“ – verhandelt in sämigem Tempo den Völkermord vor 100 Jahren. „Leugnet nicht“ sollte das Lied erst heißen. Besser geklungen hätte es auch dann nicht. Prognose: unteres Drittel.

7. Litauen: Monika Linkyte & Vaidas Baumila „This Time“ – erfrischendes Lied. Zwei SängerInnen, die sich offenbar mögen und durch treibende Beats im Happy-Go-Lucky-Style hübsch aussehen. Prognose: mittleres Drittel.

8.SERBIEN: Bojana Stamenov „Beauty Never Lies“ – Anwärterin auf den Titel „Schwuppenfreundin für jede Gelegenheit“. Schwungvolle Dorfdiskonummer, durchs Engagement der Sängerin veredelt. Prognose: obere Hälfte.

9. Norwegen

Mørland & Debrah Scarlett „A Monster Like Me“ – ansprechende Kolossalpopsahneschnitte, die geheimnisvoll-träge beginnt und durch beide Chanteure eher kühl, denn fröhlich interpretiert wird. Prognose: oberes Viertel. Das skandinavische Land schaut auf eine einerseits betrübliche, andererseits triumphale Eurovisionsgeschichte zurück: Drei Mal gewann es (Bobbysocks 1985, Secret Garden 1995 und Alexander Rybak 2009), aber zugleich landete Norwegen am häufigsten auf dem letzten Platz, nämlich zehn Mal.

10. SCHWEDEN: Måns Zelmerlöw „Heroes“ – Konfektionspop allerbester Machart. Verhält sich zu exzellentem Pop wie Strass zu Juwelen. Reißbrettproduktion, schlageresk wie einst, nur lauter. Prognose: oberes Sechstel.

11. ZYPERN: Giannis Karagiannis „One Thing I Should Have Done“ – trauriges Lied, als sei es Hipster-Liedermacher-Jammertälern entsprungen. Prognose: obere Hälfte.

12. AUSTRALIEN: Guy Sebastian „Tonight Again“ – sieht flüchtig gesehen aus wie ein ins Pummelige gehender Bruno Mars, singt aber besser. Der Mawnn malaysischer Herkunft ist ein Superstar in seiner Heimat. Prognose: Siegfavorit.

13. BELGIEN: Loïc Nottet „Rhythm Inside“ – moderner elektrosoundgeprägter Act eines wie entfesselt singenden Mannes aus der Wallonie. Seine These: Anderssein ist gut. Exzellente Nummer. Prognose: Top 5.

14. Österreich

The Makemakes „I’m Yours“ – Die Hippieband vom Mondsee, Salzkammergut. Klingen mit ihrem Stück wie Coldplay, nur fescher, erdiger, weniger künstlich. Sie freuten sich über Conchita, ehe es ihr halbes Land tat. Und ihnen ist egal, ob sie gewinnen: Hauptsache Plattenvertrag. Prognose: Platz 7 bis ganz nach unten. Österreich ist zum 48. Mal seit 1957 dabei. 1966 brachte Österreich mit Udo Jürgens bei seiner dritten Teilnahme eine der ESC-Legenden („Merci, Chérie“) hervor.

15. GRIECHENLAND: Maria Elena Kiriakou „One Last Breath“ – nur im Finale, weil die Sängerin sich von einer Windmaschine bewehen lässt, als wäre diese die kalte Troika. Schreien ohne Bouzoukibeiwerk, das Kleid aus dem Fundus kretischer Provinzbühnen. Prognose: unteres Drittel.

16. MONTENEGRO: Knez „Adio“ – jugoslawischer Melancholiepop, sehr hymnisch, viel Pomp & Tanz. Anregend und freundlich. Prognose: unteres Drittel.

17. Deutschland: Ann Sophie „Black Smoke“ – die Hamburgerin mit der prima Stimme tingelte früher in New York durch Bars und ging da zur Bühnenschule. Prognose: Top 13.

18. Polen: Monika Kuszyńska „In The Name Of Love“ – die Sängerin muss nach einem schweren Autounfall im Rollstuhl auftreten. Das sentimentale Easiest-Listening-Liedlein wird Mitgefühl wecken wollen. Prognose: unteres Fünftel.

19. Lettland

Aminata Savadogo „Love Injected“ – Kind russisch-lettisch-burkinischer Eltern aus Riga, musikalisch versiert in modernen Clubstyles. Trans-Dance-Elektro-Pop-Ballade. Prognose: mittleres Drittel. 2003 war Lettland Gastgeber aufgrund des Sieges von Marie N („I Wanna“). Die mittlere der baltischen Republiken wird zum 16. Mal teilnehmen. 2000 war der ESC-Auftakt mit der Gruppe Brainstorm („My Star“) und einem dritten Rang.

20. Rumänien: Voltaj „De La Capăt“ – dieser Beitrag sagt: Hört zu! Die Botschaft muss vernommen werden. Welche? Dass rumänische Kinder verelenden, weil sie ohne Eltern aufwachsen, da diese im Westen ackern müssen. Klingt gut: Karpartenästhetik. Prognose: unteres Mittelfeld.

21. Spanien: Edurne „Amanecer“ – Dramaqueen aus Madrid, deren Lied eher eine Klangmauer voller sängerischer Inbrunst aufbaut. Wuchtiges Lied, das die auf große Gesten spezialisierte Sängerin exzellent zu singen weiß. Prognose: mittleres Drittel.

22. Ungarn: Boggie „Wars For Nothing“ – Schundnummer im Namen des Friedens. Säuseln und wimmern in unauffälligem Outfit. Schleppendes Langweilertum aus Budapest. Prognose: unteres Viertel.

23. Georgien: Nina Sublatti „Warrior“ – sie sieht aus wie eine Gundel Gaukeley des Kaukasus. Diese Kriegerin will erhört werden: So muss man ihren aufdringlichen Gesang verstehen. Prognose: mittleres Drittel.

24. Aserbaidschan: Elnur Hüseynov „Hour Of The Wolf“ – etwas nervöses Lied, das auch durch die zwei Tänzer nicht wirklich an Gehalt gewinnt. Prognose: unteres Fünftel.

25. Russland: Polina Gagarina „A Million Voices“ – kitschigstes, verlogenstes, süßlichstes Lied dieses Jahres. Bombastische Stimme der Moskauerin. „Ein bisschen Frieden“ reloaded. Prognose: Mitfavoritin.

26. Albanien: lhaida Dani „I’m Alive“ – eine Frau, die weiß, wie man laut singt. Unterscheidet sich vom griechischen oder spanischen Beitrag nur in Nuancen: alle mit Lärmteppichen und ohne Liedstruktur. Prognose: unterstes Fünftel.

27. Italien: Il Volo „Grande Amore“ – ein Klassik-Männertrio – schmucke Herren, die auf überkandidelte Weise so tun, als sei die Zeit der singenden Tenöre nicht längst Jahre her. Bei den Buchmachern weit vorne. Prognose: Top 5.