: System der Abzocke
VERMARKTUNG Der Österreichische Skiverband entmündigt seine Athleten. Rennläuferlizenzen erhält nur, wer seine Rechte an den ÖSV abtritt
WIEN taz | Die Athletenerklärungen des ÖSV behandeln die Sportler wie Abhängige. Genau das will sich Olympiasiegerin Anna Fenninger nicht mehr gefallen lassen. Der Österreichische Skiverband (ÖSV) kann sein im Vergleich zu den Mitbewerbern ungeheures Budget von 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr nur zusammenkratzen, wenn er neben massiven öffentlichen Förderungen auch von den Werbeeinnahmen der Stars nascht. Daher werden Olympiasiegerin Anna Fenninger, Weltcupsieger Marcel Hirscher und alle anderen an der kurzen Leine gehalten. Der ÖSV schreibt die Verträge, kassiert die ganze Kohle, zieht die Provision ab und leitet den Rest an den Aktiven weiter.
Die Grundlage der Vereinbarungen zwischen dem ÖSV und seinen Sportlern stellen einseitige Athletenerklärungen dar. Der Stuttgarter Anwalt und Sportrechteexperte Markus Wekwerth: „Die Erklärungen sind eine kartellrechtliche Katastrophe.“ Dieses Geschäftsmodell stören aus der Sicht des ÖSV „externe“ Manager wie Klaus Kärcher, der Berater Fenningers. Sie kann der ÖSV nicht kontrollieren – und sie verdienen womöglich auch noch Geld mit ihrem Athleten. Geld, das nach Meinung des ÖSV dem Verband zusteht. „Für den ÖSV und den Austria Ski Pool sind ausschließlich der/die jeweilige Aktive Gesprächspartner“ heißt es in der „Lizenzerklärung“.
Drei Papiere regeln das Miteinander von Verband und Sportler: Lizenzerklärung, Verhaltensordnung und Ausführungsbestimmungen für Werbung von Aktiven der Nationalmannschaft des ÖSV. Die Unterschrift ist die Voraussetzung für die Rennläuferlizenz. Vom ÖSV unterschreibt niemand. Als Fenninger nun die alljährlich zu leistende Unterschrift dieses Mal verweigerte und mit einer E-Mail ihre Sicht der Dinge darstellt, eskalierte der Streit mit dem ÖSV. Binnen zwei Stunden war die Mail, in der Fenninger androht, sich gegebenenfalls an die Öffentlichkeit zu wenden, im Internet zu lesen. Und der ÖSV stellte ebenfalls per Mail fest, dass eine einmal unterschriebene Erklärung ohnehin für die Dauer der Mitgliedschaft in der Nationalmannschaft gelte.
Die Inhalte der Erklärungen sind bemerkenswert. Falls ein Athlet beispielsweise auf Helm oder Kapperl (Fachbegriff: Kopfsponsor) mit dem Logo eines Partners werben will, muss er beim Verband anfragen. Artikel 2.1 der Ausführungsbestimmungen: „Kein Aktiver hat Rechtsanspruch auf die Nutzung solcher gemäß Artikel 206 der Iwo im Eigentum des Österreichischen Skiverbandes stehenden Werbeflächen auf Kopfbedeckungen.“
Nationale Verbände wie der ÖSV beschließen die Internationale Wettkampfordnung (Iwo) der Fis. Wekwerth bezeichnete die Fis schon einmal als „unbehelligtes Milliarden-Sportkartell“. Es behandle Sportler wie selbstständige Unternehmer, die allerdings keine selbstständigen unternehmensbezogenen Verträge abschließen können. Der Deutsche Skiverband (DSF) agiert übrigens angeblich liberaler und moderner. Wekwerth: „Der DSF legt ebenfalls auf zentrales Marketing Wert, weil dadurch mehr Geld hereinkommt. Aber er erlaubt den Athleten auch, sich selbst zu vermarkten.“
Kurzsichtige Vorgehensweise
Sollte die ÖSV-Präsidentenkonferenz einen Kopfsponsor genehmigen, „wird zunächst ein entsprechender Vertrag zwischen dem ÖSV und dem vorgeschlagenen Werbepartner abgeschlossen und nachfolgend eine darauf basierende Vereinbarung des ÖSV mit dem/der jeweiligen Aktiven, in der alle wesentlichen Details geregelt sind“ (Ausführungsbestimmungen 2.5.3). Sollte der Sportler gar „Sonstige Werbemöglichkeiten“ ausloten, verweist der ÖSV ihn an den ÖSV: „Alle Arrangements bedürfen aber in jedem Einzelfall der Anmeldung, Genehmigung und des Vertragsabschlusses durch den Österreichischen Skiverband.“
Außergewöhnlich, um es vorsichtig auszudrücken, ist freilich die Abtretung der Persönlichkeitsrechte. Jeder ÖSV-Sportler gestattet nämlich „für die Dauer seiner/ihrer Zugehörigkeit zu einem ÖSV-Kader dem ÖSV und dem Austria Ski Pool die Verwendung seiner/ihrer Persönlichkeitsrechte, insbesondere Name, Bild, Titel, Stimme und Erfolg“. Der Aktive nimmt „zur Kenntnis, dass er/sie aus den hiefür erzielten Erlösen, sofern im Einzelfall keine diesbezügliche Sondervereinbarung vorliegt, keinen Anteil erhält“. Die entmündigende Vorgehensweise des ÖSV ist auch kurzsichtig. Sie beschränke die Nachfrage von Sponsoren, sagt Wekwerth: „Firmen fragen, warum sie mit dem Verband verhandeln müssen und nicht an den Sportler herankommen.“JOHANN SKOCEK