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Comeback zu sich selbst

RAP Curse hörte auf dem Höhepunkt seiner Karriere auf zu rappen, weil er das Gefühl hatte, auseinanderzubrechen. Er wurde wieder Michael Kurth, ging nach Indien, fand den Glauben und eine neue Liebe. Und wurde wieder Curse

„Erst fand ich mich. Dann fand ich euch. Und es macht alles wieder Sinn. Es blüht in der Wüste“

RAPPER CURSE

VON JASMIN KALARICKAL

Die Idee, ein Wüstenplanet mit zwei Sonnen zu sein, hat den Rapper Curse nicht mehr losgelassen. „Du bist wie Tatooine“, hat ihm sein Sohn irgendwann mal am Küchentisch gesagt. „Tatooine“, das ist ein Planet aus der „Star Wars“-Saga, und so heißt auch der erste Track auf Curses neuem Album „Uns“. Es ist das Album, mit dem er gerade sein Comeback feiert.

Curse erzählt in diesem Lied einerseits eine Auferstehungsgeschichte – seine Geschichte. Aber es ist auch ein Liebeslied an zwei Menschen, „seine Sonnen“, gemeint sind Frau und Sohn: Erst fand ich mich. Dann fand ich euch. Und es macht alles wieder Sinn. Es blüht in der Wüste in mir drin.

Ende 2010, nach zehn Jahren Rap und sieben Alben, hatte der Musiker Curse bekannt gegeben, in Zukunft nicht mehr Curse zu sein. „Ich hatte das Gefühl, den privaten Michael Kurth einzubüßen“, sagt er heute. Vor ihm steht eine Tasse Ceylontee , ohne Milch, ohne Zitrone. Auch er selbst hat reduziert, für einen Rapper sieht er bescheiden aus. Ohne dicke Ketten, ohne Klimbim. Ohne Hosen, die hängen, und ohne Shirts mit großen Aufschriften. Curse trägt einen grauen Pulli, eine graue Röhrenjeans und schwarze Schuhe.

Nun, da er wieder Musik macht, spricht er über Stille: „Es heißt, wenn du die Stille im Himalaja findest, dann ist es die Stille des Himalajas“, sagt er, „aber wenn du die Stille mitten auf dem Marktplatz findest, wenn dir gerade jemand einen Fisch anbietet, dann ist es deine Stille.“ Michael Sebastian Kurth, so Curses voller bürgerlicher Name, steht nicht auf dem Fischmarkt, sondern sitzt in einem kleinem Café im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Im Himalaja war Kurth nicht, dafür aber in Indien. Ein Aufenthalt, der für ihn wichtig wurde.

Wenn man Curse nach seinem Ausstieg aus dem Musikbusiness fragt, dann scheint es, als wollten seine Hände die Antwort, die er sucht, aus der Luft greifen. Als würde sein Körper antworten, bevor er eine Antwort formulieren kann. Es dauert etwas, bis er mit der sonoren Stimme, die man von seinen Alben kennt, sagt: „Ich war nicht mehr glücklich in den Strukturen, in denen ich mich befand.“ Musik verkaufen, Musik vermarkten, Gewinne erzielen. Musik machen wollte er schon noch, doch als sein Vertrag mit der alten Plattenfirma auslief, entschied er, ihn nicht zu verlängern: „Das war erst mal Freiheit auf dem Papier.“

In gewisser Weise war Curse von Anfang an eine umstrittene Figur im deutschen HipHop-Business. Schon auf seinem ersten Album, „Feuerwasser“, stehen neben klassischen Battletracks auch solche, die von Beziehungsproblemen handeln. Manchem in der Szene war das zu soft, gar ein No-Go. Doch für seine Fans war es genau das, was sie an ihm schätzten. Rappen über eine verlorene Liebe, über eigene Unzulänglichkeiten, über Gott und die Welt. Sein erfolgreichster Song in seinem ersten Rapperleben war „Bis Zum Schluss“, den er gemeinsam mit der Band Silbermond aufgenommen hat. Top Ten der deutschen Charts. Er stand mit Marius Müller Westernhagen auf der Bühne.

Nach dem Ausstieg tauschte er seine 120 Quadratmeter große Wohnung gegen eine, die dreimal so klein ist. Sein „dickes Auto“ gab er für einen Ford Fiesta auf, seine Sicherheit für die Unsicherheit. Er startete ein neues Projekt. Eine Indie-Rock-Band namens „The Achtung Achtung“. Kurth machte weiter Musik, nur nicht mehr als Curse. „ Eigentlich hab ich im gleichen Tempo weitergemacht.“ Ein Freund sagte ihm, er solle mal langsamer gehen und in die Bäume schauen. Curse fand das Glück trotzdem nicht. Er googelte „Meditation Köln“. Er lief durch die buddhistischen Zentren der Stadt, weil er das Gefühl hatte, „fast auseinanderzubrechen“.

Dieses Gefühl, alles kontrollieren, beeinflussen zu wollen. Der Perfektionist in ihm konnte nicht loslassen. Irgendwann macht er schließlich eine Meditationsübung, die ihm etwas klarmachte: Bist du dein Körper oder bist du der, der ihn beobachtet? Bist du deine Gedanken oder bist du der, der sie beobachtet? Danach packte er seinen Kram in ein Lager und kündigte seine Wohnung. Er ging nach Indien in einen Aschram in Poone. Er lag in Goa am Strand. Er fühlte sich das erste Mal nach langer Zeit wirklich frei. „Indien war eigentlich ein Zufall“, sagt er. Aber Indien sei eben auch eine „Chiffre“.

Nach seiner Rückkehr beginnt Michael S. Kurth in Köln eine Ausbildung zum systemischen Couch. Es geht um Wechselwirkungen zwischen einer Organisation und ihren Mitgliedern, um Veränderungsmanagement. Man ahnt, das es auch um ihn geht. „Ich hab zehn Jahre Musik gemacht und keinen Input, sondern nur Output gehabt. Ich habe an jedem Wort geklebt.“ In der Zeit, als Freunde von ihm studierten und die Wörter anderer konsumierten, stand er auf der Bühne und rappte ein Wort nach dem anderen aus seinem Körper.

Heute ist Curse gläubiger Buddhist. Nach Indien fand er eine neue Liebe, eine Familie. Und er zog nach Berlin. Er sagt: „Mein Sohn hat mir einen neuen Rhythmus gegeben.“ Er klingt glücklich, wenn er das sagt.

Er entschied sich, ein neues Album als Curse aufzunehmen, „einfach, weil ich wieder Bock drauf hatte“. Dann lacht er.

Sein neues, eigenes Label, heißt „IndieneueWelt“. Sein Bart ist jetzt länger, er trägt keine markige Brille mehr. Er ist wieder Curse. Hat sich viel verändert? „Ich bin jetzt kein anderer, aber ich habe innerlich eine andere Haltung. Fünf Prozent Feinjustierung.“ Weniger Kontrollwahn. Sein Album ist ruhiger geworden. Weniger Worte, weniger Silben, weniger Tempo.

Für das aktuelle Album, „Uns“, hatte er eine konkrete Grundidee: überflüssige Wörter streichen, geradeaus – und nicht zu verkopft. Der erste Song, den er schrieb, ist einem verstorbenen Freund gewidmet. „Kristallklarer Februar“ klingt eher wie eine Spoken-Word-Performance: Wie viel Ehre hat die letzte Ehre / wenn man wünscht, dass man früher da gewesen wäre?

Mit „Uns“ erreicht Curse erstmals Platz fünf der deutschen Albumcharts. Auf die Frage, ob seine Musik nun erwachsener sei, hebt Curse seine Hände, als wolle er sich ergeben, und sagt: „Aus diesen Definitionsgefilden ziehe ich mich zurück.“ Kann er dann aber doch nicht ganz. Nach einer Pause legt er nach: „Was heißt erwachsen? Heißt das, dass nur noch Erwachsene diese Musik hören können?“

Dass es ihm um Rückkehr geht, wird am offensichtlichsten beim Lied „Ende“. Darauf singt die Berlinerin Fibi Ameleya, die bereits auf seinem zweiten Album, „Von Innen nach Außen“, bei einem Zwischenspiel zu hören war. Damals war die Sängerin ein siebenjähriges Kind. Heute ist sie 21 Jahre alt. Sie singt:

Wenn nichts mehr geht, geh ich weg von hier, weg von dir und wieder mehr zu mir.

Curse scheint genau da angekommen zu sein. Bei sich. Insofern ist es auch nur konsequent, wenn er sein Comeback feiert.

Am 22. Mai spielt Curse beim Open Ohr Festival in Mainz, am 12. Juni beim Out4FameFestival in Hünxe. Mehr Infos: www.curse.de

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