: „Das war ein Hilfeschrei“
KONFRONTATION Vermarkter Klaus Kärcher über den eskalierenden Streit zwischen Skistar Anna Fenninger und dem Österreichischen Ski-Verband, über Filz und Machtgehabe im Alpenländle
■ Der 56-Jährige ist in Waiblingen geboren. Ab 1980 Studium der Biologie und Tiermedizin, nebenbei Tätigkeit als freier Fotograf. Im Jahre 1982 gründet er die Agentur Vitesse in Fellbach-Oeffingen bei Stuttgart und vermarket ab den 90er Jahren auch prominente Sportler und Sportlerinnen, unter anderem Eisschnellläuferin Anni Friesinger, Turner Fabian Hambüchen, 800-Meter-Läufer Nico Motchebon oder Sportgymnastin Magdalena Brzeska. Unter dem Dach der Vitau Kärcher GmbH mit Sitz in Riezlern/Österreich betreut er den österreichischen Skistar Anna Fenninger.
INTERVIEW MARKUS VÖLKER
Anna Fenninger selbst bezeichnet sich als „Skirennläuferin mit Herz und Leidenschaft“. Die 25-Jährige vom Skiclub Hallein kann nicht nur verdammt gut Ski fahren, sie lächelt auch hübsch in die Kamera. Die Olympiasiegerin von Sotschi im Super-G ist der Traum eines jeden Sportvermarkters. Wie zum Beispiel der von Klaus Kärcher, der sie seit drei Jahren managt und ihr etliche lukrative Abschlüsse beschert hat. Der Schwabe kennt sich aus mit Wintersportstars. Er betreute die Eisschnellläuferin Anni Friesinger. Die gab ihm auch den Tipp, sich einmal diese junge aufstrebende Österreicherin anzusehen und unter Vertrag zu nehmen. Aber genau das ist das Problem: Der Österreichische Ski-Verband (ÖSV) unter der Führung des allmächtigen Präsidenten Peter Schröcksnadel möchte seine Topathleten selber vermarkten. Externe Berater sollen herausgedrängt werden. Kärcher und Fenninger wollen sich das aber nicht bieten lassen.
taz: Herr Kärcher, wie verhärtet sind die Fronten zwischen dem ÖSV und Ihnen?
Klaus Kärcher: Es geht nicht darum, ein Duell oder einen Machtkampf zu gewinnen. Anna Fenninger ist ein mündiger Mensch, der mitdenkt und sich nicht alles bieten lässt. Sie hat gewisse Ansprüche, um erfolgreich zu sein. Einigen kann man sich nur gemeinsam mit dem ÖSV. Das geht nicht, wenn man gegeneinander arbeitet, so wie es der Skiverband tut. Bestimmte Voraussetzungen müssen erfüllt sein.
Zum Beispiel?
Ich muss auf Augenhöhe mit dem ÖSV reden können. Das Gespräch muss ehrlich und fair ablaufen. Anna Fenninger steht im Mittelpunkt. Nur um sie geht es. Es darf keine Spielchen geben, und alle müssen sich an ihr Wort halten.
Hat Ihnen der ÖSV tatsächlich die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt: Wir dulden keinen externen Manager?
Mir persönlich hat man das nicht gesagt, aber der Anna in einem Zwiegespräch. Ihre E-Mail, die sie jetzt an den Verband geschrieben hat, war doch ein Hilfeschrei. Sie wollte endlich Klarheit.
Anna Fenninger spricht darin von „Nötigung“. Die dreifache Weltmeisterin und zweimalige Gesamtweltcupsiegerin droht mit ihrem sofortigen Rücktritt. Sie empfinde das Drängen auf Trennung als „hochgradig unangemessen“. Außerdem unterstütze sie der ÖSV zu wenig in sportlichen Belangen.
Anna ist ein freier Mensch. Sie kann entscheiden, von wem sie sich vertreten lässt. Sie ist als Profisportlerin ein eigener Unternehmer.
Eine Ich-AG?
Nein, sie ist ein Teamplayer.
Am Mittwoch ist sie aus dem Trainingslager der Österreicherinnen auf Zypern abgereist. Eskaliert die Situation?
Nein. Man muss doch sehen, dass es der Gegenseite nur um Machtgehabe und wirtschaftliche Interessen geht. Dabei muss der ÖSV akzeptieren, dass eine Sportlerin auch eigene Wege geht und sich nicht auf Teufel komm raus unterordnet. Bis 2010 hat sie sich immer auf den Verband verlassen, aber dann hat sie selbst Verantwortung für ihre Karriere übernommen, weil sie am besten weiß, was ihr guttut. Die Unterstützung durch den ÖSV war ja nicht immer optimal. Doch der Verband sagt jetzt nur: Die schert aus. Die muss man zur Räson bringen.
ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel steht einem Ski-Imperium vor. Er ist Funktionär, Unternehmer und Vermarkter. Ein Interessenkonflikt?
Ja, natürlich. Stellen Sie sich nur mal vor, DFB-Präsident Wolfgang Niersbach würde gleichzeitig Mesut Özil oder einen anderen Nationalspieler vermarkten. Der Athlet allein muss entscheiden dürfen, für wen, wie und was er arbeitet. Das EU-Recht ist klar auf unserer Seite, auch wenn wir uns nicht auf einen Rechtsstreit einlassen wollen.
Gemunkelt wird über einen Wechsel von Fenninger zu einem anderen Verband, kurioserweise wurde Dschibuti genannt, ein ostafrikanisches Land.
So etwas wird vielleicht vom ÖSV lanciert, um Anna zu diskreditieren und sie auf dem österreichischen Markt unmöglich zu machen. Sie hat aber immer gesagt, dass sie nie für eine andere Nation antreten wird. Sie ist mit Herz und Seele Österreicherin.
Sie sind Deutscher. Da wird man im Nachbarland ja gern mal ein bisserl skeptisch beäugt. Kommt das erschwerend hinzu in der Causa Fenninger?
Österreich tickt anders. Es scheint dort viel mehr Hörigkeit und Filz zu geben. So gelangt dann auch eine vertrauliche E-Mail nach zwei Stunden an die Presse. Und man stellt es so hin, als erpresse eine Athletin den Verband. Es ist umgekehrt. Der ÖSV ist mit seinem Monopolsystem nicht mehr zeitgemäß. Allerdings hat Schröcksnadel noch immer alles im Griff, auch die Medien. Die Kronenzeitung, mächtigstes Boulevardmedium, ist Sponsor des ÖSV. Schröcksnadel beißt alles weg. Davon abgesehen, liebe ich Österreich. Ich habe meinen Zweitwohnsitz da. Es mag aber Österreicher geben, die auch in mir nur einen Piefke sehen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass man mich im ÖSV als Feind sieht. Anna Fenninger hingegen verkörpert das moderne Österreich.
Wie sehr geht Fenninger der Zwist an die Nieren?
Sie ist sehr sensibel. Das geht ihr nah, kostet sehr viel Kraft und kann auf Dauer nicht gut gehen.
Die Auseinandersetzung schwelt ja schon länger. Trotzdem konnte Fenninger große Erfolge einfahren.
Ja, sie hat die Fähigkeit, sich in wichtigen Momenten zu konzentrieren und zu fokussieren – auch wenn sie sich jetzt wie in einer Umklammerung fühlt.
Sie sind geübt darin, mit Verbandsfunktionären harte Verhandlungen zu führen. Inwiefern unterscheidet sich der Österreichische Ski-Verband von der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG)?
Die DESG hat ziel- und lösungsorientiert gearbeitet. Es ging stets um eine vernünftige Lösung für den Athleten. Ein kultivierter Streit ist immer gut.
Wie groß ist die Unterstützung von Fenninger in Österreich?
In den sozialen Netzwerken ist sie ziemlich hoch. Man honoriert, dass sie Charakterstärke zeigt. Das ist wichtiger, als zwei Cent mehr zu verdienen.
Wie geht es nun weiter?
Wir sind gesprächsbereit. Es muss eine Lösung geben. Für Anna. Und ich muss die Möglichkeit haben, weiter zum Team Fenninger zu gehören. Anna muss in Ruhe trainieren können, um glücklich und erfolgreich zu sein. Nur darum geht es doch.
Nur darum?
Sie legt sich ja nicht quer. Sie hat zum Beispiel kostenlos den ÖSV-Werbespot für A1 (ein Mobilfunkanbieter; d. Red.) gemacht. Bis auf den Helmsponsor wirbt sie auf dem Rennanzug nur für ÖSV-Sponsoren.