Alles sackt in sich zusammen

PREMIERE Das Theater Bremen zeigt eine Inszenierung des Romans „3000 Euro“ von Thomas Melle. Es ist ein Stück, das viele Fragen über das Leben mit wenig Geld aufwirft – und kaum eine beantwortet

Von den gesellschaftlichen Mechanismen hinter der Story ist nichts zu sehen

„Das Problem ist nicht das Leben, das Problem sind die Träume“, das ist so ein Satz, der hängen bleiben kann, nach einem Besuch von Anne Sophie Domenz’ Inszenierung von „3000 Euro“ im Kleinen Haus des Bremer Theaters. Weil er natürlich das Gegenteil von dem meint, was er sagt. Auch wenn die Mutter von Anton, um den es in Thomas Melles Roman geht, es wiederum natürlich genau so meint, wie sie es sagt, wenn sie ihrem Sohn etwas mit auf den Weg geben will, auch wenn’s schon fast zu spät ist: Wenn du nicht zurechtkommst, liegt das eben daran, dass du zu viel willst vom Leben.

Da lebt Anton schon im Obdachlosenheim, das Jurastudium im Eimer, ein paar kleine Exzesse zu viel. Zu mickerig aber, um für reelle Manie und damit Krankheit zu taugen, wie ihm sein Psychiater mitteilt. Denise, die andere Hauptfigur des Romans, alleinerziehende Mutter, Supermarktkassiererin, hat diese 3.000 Euro. Eigentlich. Es ist ihre Gage für einen Porno, der erfolgreich im Internet kursiert. Nur hat der Produzent noch nicht überwiesen. Als sie Anton kennenlernt, spielt sie mit dem Gedanken, ihm das Geld zu geben. Vielleicht wird dann alles gut. Auch wenn sie eigentlich gar nicht zusammenpassen.

Vielleicht sei das ja nicht so wichtig. Und 3.000 Euro. Das sind doch Peanuts. Wenn auch eine ganze Menge Peanuts. Sagt Anton. Für ihn markieren sie relativ genau die Grenze zwischen ihm und der bürgerlichen Existenz. Aber natürlich sind sie auch keine Lösung.

Das könnte so eine Art Horvath 2.0 ergeben – und wird es vielleicht, wenn Thomas Melle in München demnächst seine eigene Bühnenfassung vorstellt. In Bremen allerdings ist von den gesellschaftlichen Mechanismen hinter der Story nicht viel zu sehen. Die Charaktermasken verkommen zu Karikaturen.

Immerhin: Die Hüpfburg, die die Bühne (Anne Sophie Domenz) beinahe ausfüllt und sich zu Beginn des Abends langsam aufpumpt, das ist ein tolles Bild. Es entwickelt seine Kraft langsam, ist ihr eigener Kontext und Kommentar. Und als die Hüpfburg in sich zusammensackt, nachdem Denise Anton gestanden hat, nach langem Versteckspiel, dass sie ihn „gut findet“, die beiden sich verlieren zwischen erschlaffenden Türmchen, ist das ein intensiver Moment eines Abends, der aber über weite Strecken Stringenz und Tiefe vermissen lässt. Was korrespondieren mag mit dem manischen Assoziationsstrom von Antons Monologen, die Paul Matzke hübsch selbstverliebt um sich und ihn selbst kreiseln lässt, aber wenig Gedanken darauf verschwendet, warum er und Denise eigentlich stehen, wo sie stehen.

Aber das ist eben nur eine Seite der Sache. Auch Nadine Geyersbach arbeitet die Verletzlichkeit der Denise schnoddrig intensiv heraus. Aber retten kann auch sie den Abend nicht. Immerhin: Denise entkommt. In den Armen King Kongs. Warum? Auch dafür liefert der Abend keine Erklärung.  STONE

Nächste Vorstellungen: heute, 20 Uhr; 12. Juni 2015, 20 Uhr; 25. Juni 2015, 20 Uhr