ERICH RATHFELDER ÜBER DEN GEWALTAUSBRUCH IN MAZEDONIEN : Von der Regierung inszeniert?
Die Schüsse in Mazedonien haben 22 Menschenleben gefordert. Das ist in einem Land gravierend, in dem seit Jahrzehnten Konflikte zwischen den slawischen und albanischen Mazedoniern an der Tagesordnung sind.
Der von der EU, den USA und der Nato vermittelte Vertrag von Ohrid 2001, der den damaligen monatelangen Bürgerkrieg beendete und die Gleichberechtigung der Albaner sowie der anderen nationalen Minderheiten wie die der Roma, Türken, Serben und anderen festschreiben sollte, ist niemals völlig umgesetzt worden. Weder spiegelt die Polizei, wie festgelegt, die ethnische Zusammensetzung des Landes wider, noch wurde das Justiz- und Schulsystem befriedigend reformiert. Vor allem aber die Gemeindereform ist ins Stocken geraten. Es gibt also genug Reibungspunkte in dem Land, obwohl in allen seitherigen Regierungen Albanerparteien beteiligt waren.
Die sozial motivierten Demonstrationen der Opposition, die Veröffentlichung der Protokolle von Telefongesprächen zwischen Regierungsmitgliedern, aus denen das Ausmaß der Korruption, des Wahlbetrugs und der Angriffe auf unliebsame Journalisten hervorgeht, hat die Regierung zweifellos in die Defensive gedrängt.
Die Ankündigung des Aktionstages am 17. Mai mit Massenmobilisierungen in allen Städten stellt die Macht einer Koalitionsregierung infrage, die von slawisch-mazedonischen und albanischen Nationalisten getragen wird. Die Opposition vermutet öffentlich, die Kämpfe in Kumanovo seien von der Regierung inszeniert. Die Regierung behauptet dagegen, die Terroristen seien albanische Dschihadisten und Großalbaner. In beiden Fällen müssen die Albaner in der Regierung aufklären. Sie stehen in der Verantwortung. Oder sind sie so tief im Korruptionssumpf versunken?
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