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SCHNACKER In der Doku „Der Hochstapler“ (21.15 Uhr, NDR) packen die Opfer eines Aufschneiders aus

Andreas Holst aus Kiel ist ein, wie man im Norden sagt, „Schnacker“, ein Aufschneider. Geschäftspartnern machte er weis, er habe Kontakte zur Nato oder könne Dieter Schwarz, dem scheuen Lidl-Gründer, Alarmanlagen verkaufen. Während der Barschel-Affäre inszenierte sich Holst als Insider, so brachte er es zum Zeugen im zweiten Untersuchungsausschuss.

Für „Der Hochstapler“, den neuen Film der Reihe „Panorama – die Reporter“, hat die Autorin Sabine Puls mit Menschen gesprochen, die Holst hereingelegt hat. Seine gefährlichste Spinnerei: 2014 erzählte er Journalisten, er wolle mit von ihm gesammeltem Geld Geiseln freikaufen, die seit mehreren Jahren in der Hand somalischer Piraten waren. Dafür schlüpfte er in die Rolle eines Kapitäns und kostümierte sich entsprechend. Holst-Opfer Ludwig Greven, Politikredakteur bei Zeit Online, spricht in Puls’ Film von einem „ausgefeilten Lügengebäude“. Auch das ZDF glaubt Holst kurzzeitig, mehrere Szenen, die der Sender mit ihm drehte, tauchen in „Der Hochstapler“ auf. Doch Holst führte auch einen auf Verhandlungen mit Geiselnehmern spezialisierten UN-Mitarbeiter hinters Licht. Als der Deal platzte, folterten die Piraten die Geiseln.

Holst, derzeit offenbar in Irland abgetaucht, wusste, worauf Redaktionen anspringen: Auch die Rolle des Journalisten hat er schon gespielt. Für das WDR-Fernsehen berichtete er 1989 in raunendem Tonfall aus dem Bürgerkrieg in Angola („Unser Weg führt uns durch stark verminte Gelände“) und tritt in diversen Medien als Giftgasexperte auf.

„Der Hochstapler“ zeigt, wie sehr Redakteure, auch erfahrene, anfällig sind, wenn die Aussicht auf einen großen Scoop winkt. Sabine Puls schüttet dabei keine Häme aus. Sie interpretiert ihre Rolle als Presenterin nüchtern – was nicht zuletzt angesichts der Schrillheit Holsts angemessen ist. RENÉ MARTENS