: Wenn der Chef die Quote aushebelt
GLEICHSTELLUNG Die gängigen Leistungsbeurteilungen im öffentlichen Dienst diskriminieren Frauen, meinen Juristinnen
FRIEDEL SCHREYÖGG, GENDERTRAINERIN
VON HEIDE OESTREICH
BERLIN taz | Bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt befördert. Das ist der Kern jeder Quotenregelung in der Arbeitswelt. Doch wer definiert eigentlich die Qualifikation? Die ChefInnen in ihren Leistungsbeurteilungen. Doch hier, so kritisiert nun der Deutsche Juristinnenbund (DJB), sind Tür und Tor für die Diskriminierung geöffnet.
In einer neuen Stellungnahme zielt der DJB insbesondere auf den öffentlichen Dienst. Die Beschäftigten des Bundes sind zur Hälfte weiblich, doch in den Abteilungsleitungen kommen nur noch 24 Prozent Frauen an. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass Frauen von ihren ChefInnen tendenziell schlechter beurteilt werden als Männer. Wenn die Beförderung ansteht, gilt der Mann als qualifizierter – und die Quotenregelung greift nicht.
Der Juristinnenbund macht ein Fragezeichen an die Urteilskraft der ChefInnen. So sei es wenig wahrscheinlich, dass sämtliche Teilzeitkräfte schlechter arbeiteten als die Vollzeitkräfte. Sie werden aber sehr oft schlechter beurteilt. Schuld daran sind abstrakte Bewertungskriterien, die oft assoziativ beantwortet werden. Friedel Schreyögg, 23 Jahre lang Gleichstellungsbeauftragte in München, kann ein Lied davon singen. Gerade hat sie ihre viel genutzte „Arbeitshilfe“ für dienstliche Beurteilungen „Geschlechtergerecht beurteilen“ überarbeitet. „Stellen Sie sich vor, Sie müssen beurteilen, ob jemand ‚stark befähigt‘, ‚befähigt‘ oder ‚weniger befähigt‘ ist! Oder ob die Leistung ‚herausragend‘ oder ‚erheblich‘ ist. Woran messen Sie denn das?“ Je abstrakter die Kriterien, desto stärker die Anfälligkeit für wenig sachgerechte Beurteilungen, meint Schreyögg. So werden etwa länger Beschäftigte besser beurteilt als Neuankömmlinge oder Menschen mit Berufsunterbrechung. „Es gibt das Gefühl, jemand sei nun ‚dran‘, egal wie die Person gearbeitet hat“, meint Schreyögg. TeilzeitarbeitnehmerInnen gelten generell als weniger ehrgeizig und einsatzbereit, obwohl sie oft konzentrierter und schneller arbeiten als Vollzeitkräfte.
Nicht nur die Ex-Gleichstellungsbeauftragte und die Juristinnen meinen, dass das Beurteilungswesen extrem anfällig ist. Bernd Uwe Kiefer, Unternehmensberater und Autor des „Taschenbuchs Personalbeurteilung“, bestätigt, dass sich bei vielen Vorgesetzten das Bild festigt, die Frau sei nicht einsatzbereit, wenn sie mal beim kranken Kind oder wegen ihrer Teilzeittätigkeit genau dann nicht da sei, wenn er etwas von ihr wolle. „Das Beurteilungswesen ist anfällig für die Diskriminierung von Frauen“, sagt Kiefer. Doch er hält das für schlechtes Management: „Führungskräfte, die gut geschult sind, wissen heute, dass Teilzeitkräfte die besseren Mitarbeiter sind“, sagte er der taz.
Was tun? Die Juristinnen empfehlen ebenso wie Schreyögg, die Beurteilung so konkret wie möglich abzufassen: Was waren die konkreten Arbeitsaufgaben, wie wurden sie erfüllt? Der Blick solle auf den Output gelenkt werden und „so weit wie möglich weg von den subjektiv zugeschriebenen Eigenschaften der Person“, finden die Juristinnen. Kriterien wie „Flexibilität“ und „Einsatzbereitschaft“ sollten vermieden werden. Stattdessen sollten etwa die „Übernahme auch unbeliebter Aufgaben“, „verantwortliches Handeln“ oder die „Bewältigung von Konfliktsituationen“ in den Mittelpunkt rücken. „Leistungsfremde Hürden abbauen“, nennt Schreyögg das.
In ihren 23 Jahren als Gleichstellungsbeauftragte in München hat sie dafür gekämpft, dass etwa nicht nur nach „Papierform“, also ohne die Kandidatinnen überhaupt zu sehen, befördert wurde. Und sie hat einfache neue Beurteilungskriterien entwickelt. Aber wenn man sie fragt, wie erfolgreich das ist, dann sagt sie: „Ganz im Ernst? Ich würde das ganze Beurteilungswesen abschaffen.“ Besser seien Assessment Center, die die KandidatInnen beim Lösen konkreter Aufgaben prüften. Schreyögg: „Die sind auch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber sie sind nicht so anfällig für Diskriminierungen.“