: Taxifilm am Taxistand
FREILUFTKINO Die Saison der Open-Air-Kinos beginnt am heutigen Samstag. Orte, Konzepte und Programme sind vielfältig. Alle zusammen hoffen auf einen schönen Sommer
■ Am heutigen Samstag eröffnet das Freiluftkino Kreuzberg im Kunstquartier Bethanien die Freiluftkino-Saison in Berlin mit „Citizen Four“, einem Dokumentarfilm über Edward Snowden. Ebenfalls heute zeigt die Freilichtbühne Weißensee mit „Lauffeuer“ eine Doku über den ukrainischen Bürgerkrieg.
■ Der Eintrittspreis in den Freiluftkinos liegt in der Regel bei 5 bis 7 Euro.
■ Kostenlos sind die Freiluftkinos in der Kulturfabrik Moabit und am Cecilienplatz in Kaulsdorf-Nord. (pi)
VON PHILIPP IDEL
„Geld ist nicht wichtig für mich. Ich bin ein Clown. Ich brauch es. Es ist nicht wichtig“, sagt Taxifahrer und Clown Helmut Grokenberger (Armin Müller-Stahl) in Jim Jarmuschs „Night on Earth“. – So oder so ähnlich könnten vermutlich die meisten der Freiluftkinobetreiber ihre Lage beschreiben. Man braucht das Geld, aber wichtig ist es nicht, denn es geht in erster Linie um die Filme und das Draußensein.
In den Freiluftkinos geht es zwar professioneller zu als beim eingangs zitierten Grokenberger, der in der New York-Episode von „Night on Earth“ vom Fahrer zum Gefahrenen wird. Viel rentabler als das Taxigeschäft ist das Freiluftkinomachen deshalb aber nicht. Das größte Geschäftsrisiko ist das Wetter. „Die einzige Antwort, die du auf die Frage nach der Rentabilität eines Freiluftkinos geben kannst: Wenn das Wetter schön ist, kommst du mehr als kostendeckend raus“, sagt Julia Colm vom OpenAirKino Spandau.
Nicht immer sei Freiluftkino so attraktiv gewesen wie heute, erinnert sie sich. „In den 80ern gab es eine Woche Open Air in der Waldbühne, viel mehr war da nicht.“ Und tatsächlich, die meisten Freiluftkinos sind in den letzten zehn, fünfzehn Jahren entstanden, ein paar sind deutlich jünger.
Wie ein zweiter Kinosaal
Freiluftkino ist eine Möglichkeit, die für ein Saalkino ökonomisch schwierigen Sommermonate zu überbrücken. „Für uns ist das wie ein zweiter, attraktiverer Saal“, erklärt Julia Colm. „Im Sommer gehen die Leute ja ungern in geschlossene Kinosäle.“
Ähnlich ist das bei den Tilsiter Lichtspielen in Friedrichshain und dem Kreuzberger Sputnik-Kino. Die Tilsiter betreiben das Freiluftkino Pompeji in der Zukunft am Ostkreuz, das Sputnik das Insel-Freiluftkino im Cassiopeia auf dem Friedrichshainer RAW-Gelände. Aber es geht auch eine Nummer größer: Die drei größten und gewinnträchtigsten Freiluftkinos der Stadt – Rehberge, Volkspark Friedrichshain und Kreuzberg –, betreibt der Filmverleih Piffl Medien.
Für Arne Höhne, der für das Unternehmen arbeitet und Anfang der 90er beim Freiluftkino Hasenheide angefangen hat, ist es vor allem die Offenheit des Publikums, die das Freiluftkino-Geschäft in Berlin so attraktiv macht. „Was ihr da zeigt, das können wir hier gar nicht bringen“, erzählten ihm regelmäßig Kinoleute aus dem Rest der Republik. Das Programm der Piffl-Kinos, so Höhne, besteht größtenteils aus aktuellen Arthouse-Kinofilmen. Außerdem werden „Klassiker-Klassiker“ wie „A Clockwork Orange“ und „Freiluftkino-Klassiker“, also Filme, die draußen besonders gut laufen – zum Beispiel „The Big Lebowski“ und „Oh Boy“ – gezeigt.
Im Open Air Kino Mitte, einem kleinen Hinterhofkino, das zum Kino Central am Hackeschen Markt gehört, ist das Programm wesentlich weniger aktuell. Hier gibt es diesen Sommer Veranstaltungen wie die Aufführung von „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“, elektronisch begleitet von der Stummfilmmusik-Band Tronthaim.
Die Freilichtbühne Weißensee hat einen DEFA-Donnerstag im Programm und versteht sich als politischer Ort, an dem es zum Beispiel auch Veranstaltungen in Kooperation mit der lokalen Antifa gibt.
Das Weißenseer Freilichtkino wird seit letztem Jahr ehrenamtlich betrieben. Die Macher kommen größtenteils aus der Filmbranche. Auch hinter dem Freiluftkino in der Kulturfabrik Moabit steht ein Verein von Ehrenamtlichen. Anders als in Weißensee ist das Moabiter Freiluftkino, das zum Filmrauschpalast gehört, aber kostenlos. „Wir erhalten Fördergelder, teilweise vom Quartiersmanagement, und machen Kino für den ganzen Kiez“, erläutert Jörg Schwiemann, Mitglied im Vorstand des Vereins filmrausch.
Auto- und Nomadenkino
Den Exoten findet man an der Peripherie, den anderen mal hier, mal dort. Wer etwa im 50er-Jahre-Ambiente Blockbuster und Klassiker sehen möchte, fährt, sofern er eins besitzt, mit dem Auto ins Autokino am Flughafen Schönefeld.
Das Nomadenkino, betrieben von Kameramann und Filmvorführer Werner Kantor, hat keinen festen Spielort. „Ich will Filme am richtigen Ort zeigen“, erklärt Kantor, und erinnert sich an eine Vorführung des LSD-Films „The Substance“ im längst geschlossenen Technoclub Kater Holzig. Vielleicht zeigt er dieses Jahr ja auch Jarmuschs „Night on Earth“ an einem Taxistand. Ganz egal wo, nur zwischen den gelben Autos müsste es sein.