: Mutiger Sprung in den Chefsessel
MÜLLER UND DER FLUGHAFEN
Auf Zeit zu spielen ist eine beliebte Taktik in politischen Verhandlungen: einfach warten, bis die Gesprächspartner müde sind und alles akzeptieren. Doch dafür braucht man Ausdauer. Es scheint fast so, als hätte Michael Müller genau die zuletzt gefehlt.
Monatelang hatte der Regierende Bürgermeister versucht, die Kontrollstrukturen bei der Flughafengesellschaft zu verändern: Statt hochrangiger Politiker sollten lieber fachkundige Experten den Aufsichtsrat des Pannenflughafens BER besetzen. Offenbar konnte er die beiden Gesprächspartner – den Bund und das Land Brandenburg, also die anderen zwei Gesellschafter des Flughafens – von seinem Plan nicht überzeugen. Denn am Mittwochabend verkündete Berlins Regierungschef überraschend, dass er nun doch die Nachfolge Klaus Wowereits antreten und den Chefposten im Aufsichtsrat übernehmen wolle. „Nachdem sich die anderen über Wochen nicht klar äußern können, wie es weitergehen soll, glaube ich, geht das so nicht mehr“, sagte Müller. Umgehend bekam er von Brandenburg und dem Bund Unterstützung für seinen Einsatz. Manche würden das hinterhältig nennen.
Denn Müllers neueste Chefambitionen sind nicht ohne Risiko: Dass Wowereit am Ende seiner dreizehneinhalb Jahre dauernden Regierungszeit so blamiert dastand, lag vor allem an seiner Rolle als BER-Aufsichtsratschef. Er hatte die Aufgabe unterschätzt, sich zu oft auf falsche Informationen verlassen und zu viele Eröffnungstermine angesetzt, die letztlich nicht eingehalten werden konnten. Am Ende blieb das milliardenschwere Desaster an ihm hängen. Nun will Müller, wie er betont, Verantwortung auch für die Schönefelder Baustelle übernehmen.
Wie es dort genau aussieht, ist schwer zu sagen. Zuletzt mehrten sich Aussagen von beteiligten Personen, dass die avisierte Eröffnung im zweiten Halbjahr 2017 tatsächlich realistisch sein könnte. Doch eigentlich gilt der Bau als nicht zu steuern. Mit peinlichen Überraschungen und Verschiebungen ist weiterhin jederzeit zu rechnen.
Müller beweist also Mut. Möglicherweise ein bisschen zu viel. Denn vor der Eröffnung des Flughafens steht auf jeden Fall die nächste Abgeordnetenhauswahl an. Der Regierende halst sich jede Menge zusätzliche Arbeit auf, die zwar ehrbar ist, aber kaum zusätzliche Stimmen im Herbst 2016 bringen dürfte. Und vielleicht sogar das Gegenteil bewirkt. Denn beim BER weiß man ja nie, woran man ist. BERT SCHULZ