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Archiv-Artikel

OFF-KINO

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Im Jahr 1979 fand in den Zeichentrickstudios von Disney eine seinerzeit viel beachtete Revolte statt: Mit dem Argument, Disney lasse es bei seinen Produktionen an Qualität und Sorgfalt mangeln, verließen mit Don Bluth und Gary Goldman die führenden Köpfe einer neuen Generation von Trickkünstlern gemeinsam mit fünfzehn weiteren Kollegen das Studio. Die Forderung nach einer Rückkehr zu den alten Disney-Werten nahmen Don Bluth und Gary Goldman dann auch so ernst, dass sie beschlossen, in Zukunft die „besseren Disney-Filme“ zu drehen.

Einen ersten gelungenen Versuch unternahmen sie mit „Mrs. Brisby und das Geheimnis von NIMH“ (1982), der Geschichte einer verwitweten Feldmaus, die ihr Heim durch die Erntemaschinen des Farmers bedroht sieht und sich deshalb Rat bei den großen Verwandten, den intelligenten, aber auch ein wenig bedrohlichen Ratten, einholen will.

Tatsächlich gestaltet sich die Animation des Films absolut beeindruckend, zeigt allerdings mit den fantastischen Licht- und Schattenspielen in einer geheimnisvollen und unheimlichen Ratten-Unterwelt auch deutlich, dass Bluths und Goldmans Hang zum Düsteren und zu gebrochenen Charakteren ihrem Erfolg als Disney-Herausforderer gelegentlich auch im Weg stand. Die harmlos nette Familientauglichkeit etwa von Disneys „Bernhard und Bianca – Die Mäusepolizei“(1977), an dem Bluth und Goldman seinerzeit noch an prominenter Stelle mitgewirkt hatten, erreichten ihre eigenen Filme nie – sollten sie wohl auch nicht. Für ganz kleine Kinder ist „Mrs. Brisby“ deshalb auch nichts, doch alle anderen sehen ein mit alten Disney-Klassikern tatsächlich vergleichbares Meisterwerk (2. 5.–3. 5., Regenbogenkino).

Gewisse Ähnlichkeiten im Verlauf ihrer Karrieren kann man auch zwischen Don Bluth und Helmut Käutner entdecken: Der ursprünglich vom Kabarett kommende deutsche Regisseur wollte in der Nachkriegszeit gern intelligente Filme mit zeitgeschichtlichen Bezügen und humanistischer Botschaft drehen, scheiterte dann jedoch an der Realität des bundesrepublikanischen Kommerzkinos der 1950er Jahre. Die in ihn gesetzten künstlerischen Erwartungen konnte er nie mehr wirklich erfüllen. Seine Glanzleistungen hatte Käutner nämlich noch in der Zeit des „Dritten Reichs“ abgeliefert, darunter mit „Unter den Brücken“ (1945), einer dem poetischen Realismus des französischen Vorkriegskinos verwandten melancholischen Freundschaftsgeschichte um die Liebe zweier Binnenschiffer zu einem Mädchen, einen Gegenentwurf zur damals allgegenwärtigen Propaganda von der militarisierten Volksgemeinschaft: mit friedlicher Havel-Idylle statt Bombenkrieg sowie einer Poesie der kleinen Dinge und dem Rückzug in die Freiheit des Privaten (5. 5., Filmmuseum Potsdam).