SPD verteidigt den Mindestlohn

SOZIALES Nach dem Koalitionsgipfel überziehen sich SPD und CSU mit Vorwürfen. Stegner wirft Seehofer „täglich wechselnde Volten“ vor

Die Arbeitsministerin verkenne millionenfache Praxisprobleme, schimpft die CSU

BERLIN dpa/taz | Die Sozialdemokraten waren empört. Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte am Montag, CSU-Chef Horst Seehofer und sein Generalsekretär Andreas Scheuer hätten sich beim Mindestlohn verrannt. Sie könne nicht nachvollziehen, „woher diese trotzigen Stammtischparolen kommen“. Wenig später legte SPD-Bundesvize Ralf Stegner nach. Die Koalition trage Verantwortung für das Wohl aller Bürger. „Sie wird sich nicht von den täglich wechselnden Volten des CSU-Vorsitzenden abhängig machen.“

Ein Koalitionsgipfel dient normalerweise dazu, Streitthemen auszuräumen. Das Treffen, das Spitzenpolitiker von CDU, CSU und SPD bis zum frühen Montagmorgen im Kanzleramt absolvierten, bewirkte das Gegenteil. Kein einziger Streit wurde beigelegt, stattdessen überzogen sich die Koalitionäre hinterher gegenseitig mit Vorwürfen.

Beispiel Mindestlohn: Die SPD gibt CSU-Chef Horst Seehofer die Schuld an der schlechten Stimmung in der Koalition. Der Bayer hatte vor dem Treffen in einer Boulevardzeitung über „die Regelungswut und das Dokumentationswirrwarr beim Mindestlohn“ hergezogen. Die CSU und der Wirtschaftsflügel der CDU fordern Erleichterungen für Arbeitgeber. Sie drängen darauf, dass Firmen für deutlich weniger Angestellte die Arbeitszeiten dokumentieren müssen als bisher. Doch die SPD – in Person von Arbeitsministerin Andrea Nahles – blieb hart, man vertagte sich. Die Ministerin verkenne millionenfache Praxisprobleme von Unternehmern, schimpfte CSU-Generalsekretär Scheuer.

Ähnlich ergebnislos ging man bei der Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern auseinander, einem Mammutprojekt, verglichen mit den Details des Mindestlohns. Seit Monaten verhandeln Bund und Länder, wie die Geldströme der Republik neu verteilt werden sollen. Umstritten ist, ob der Solidaritätszuschlag, der 2019 ausläuft, abgeschafft werden soll. Durch ihn nahm der Bund 2013 etwa 14,4 Milliarden Euro ein.

Große Teile von CDU und CSU, Kanzlerin Angela Merkel inklusive, wollen einen schrittweisen Abbau dieser Steuer. CSU-Chef Horst Seehofer sprach bereits von der „größten Steuersenkung aller Zeiten“. Die SPD und die meisten Bundesländer plädieren dafür, den Soli in die Einkommensteuer zu integrieren und dafür die kalte Progression abzubauen. So hätte der Bund weiter Milliardeneinnahmen, aber auch die Länder und die Bürger würden entlastet.

Eine Option ist nun, die Soli-Abschaffung über 2029 hinauszustrecken. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern koordinieren Finanzminister Wolfgang Schäuble und Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz. Die beiden, die sich eigentlich über einer Integration in die Einkommensteuer schon einig waren, müssen jetzt weiterverhandeln.

In der Flüchtlingsfrage verabschiedeten die Koalitionsspitzen eine Sprachregelung, die nichts Neues besagt. Deutschland will die geplante Verstärkung der Seenotrettung im Mittelmeer unterstützen und vor allem Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufnehmen. ULRICH SCHULTE

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