: Auf der Suche nach Worten, die alle meinen
SPRACHKRITIK Schmaler Grat zwischen Sensibilisierung für Diskriminierung und Sprach-Jakobinismus
Hand an das Herrschaftsinstrument Sprache anzulegen, ist ein Sakrileg. „Ich war überrascht über die Welle der Empörung, die über mich hereingeschlagen ist“, berichtete Lann Hornscheidt, Professx für Gender Studies und Sprachanalyse an der Humboldt-Universität Berlin, beim taz.lab auf dem Panel zu gendergerechter Sprache. Die selbst gewählte Berufsbezeichnung „Professx“ als Alternative zu Professor oder Professorin hat für enorme Aufregung gesorgt. Hornscheidt will damit die Fixierung auf das entweder Weibliche oder Männliche durchbrechen. KritikerInnen sehen darin den Untergang der abendländischen Kultur.
Wer sich mit der Sprachpolizei anlegt, riskiert immer eine Menge Ärger. Hornscheidt kann sich immerhin der Solidarität der sprachkritischen Gemeinde sicher sein. Das geht nicht jeder/m so, der oder die sich mit den vorgesehenen Zuschreibungen auseinandersetzt – etwa in der taz. „Die taz ist an der Spitze der Bewegung, ignorant zu sein“, sagte Hornscheidt mit Blick auf den Text „Ich, Zigeuner“ von Tibor Racz , der im Vorfeld des taz-Kongresses erschienen ist. Darin erklärt der Autor, warum er als Roma sich selbstbewusst als Zigeuner bezeichnet – weil er nicht damit einverstanden ist, dass das Wort ein mit Klischees und Vorurteilen belastetes Schmäh- und Schimpfwort ist. So eine Meinung dürfe nicht isoliert erscheinen, kommentierten DiskutantInnen. Kein Widerwort regte sich, als die Forderung nach einer Art betreuter Veröffentlichungspraxis laut wurde: Es hätte zumindest ein paralleler Text mit einer anderen Auffassung erscheinen müssen, hieß es.
Die Botschaft des Textes von Raczs sei ja klar, sagte Ferda Ataman, Leiterin des Mediendienstes Integration. „Die nennen sich ja selber so“, referierte sie die Reaktion jener, die aus rassistischen Gründen an diskriminierenden Zuschreibungen festhalten wollen.
Hornscheidt monierte zwar den „Ich, Zigeuner“-Text, will aber keine Sprachpolizei: „Es geht nicht darum, neue Normen aufzustellen.“ Vielmehr sei die Entwicklung neuer Formen eine Chance für jene, die respektvoll mit anderen umgehen wollten.
Allen sprachlich wirklich gerecht zu werden, scheint nicht leicht. Die Initiative „Neue Deutsche Medienmacher“ verteilte ein Glossar mit Formulierungshilfen gegen die Abwertung von MigrantInnen. Auf der ersten Seite der Lernhilfe weist eine Anmerkung darauf hin, dass nur die männliche Form verwendet wird. Die weibliche sei immer mitgemeint. ANJA KRÜGER