: Suche nach Quellen der Inspiration
ATMOSPHÄREN Gedöns tut gut? Klar. Inklusive Biertest, Strickwerk und Debatten um den taz-Neubau
VON SASKIA HÖDL UND ERIK PETER
„Gedöns hat etwas Paradoxes. Es scheint erst mal unwichtig, nimmt aber trotzdem viel Platz ein. Das Tolle daran ist, dass es ein Anstoß für intensive Gedanken und Diskussionen ist.“ Die Frau, die das Motto des sechsten taz.lab so präzise auf den Punkt bringt, heißt Eli Sperrer. Aus „Lust am großen Denken“ und auf der „Suche nach Quellen der Inspiration“ ist die taz-Leserin extra aus München nach Berlin gereist. Eine halbe Stunde nach dem offiziellen Beginn des Kongresses im Haus der Kulturen der Welt sitzt sie noch im Foyer und studiert das Programm.
„Welche Plattitüden wollen Sie heute nicht hören?“, mit dieser Frage eröffnete taz-Chefredakteurin Ines Pohl kurz zuvor das erste Podium – und gab damit ein Motto des Tages aus. Die Gäste sollen streitbar sein, überraschen und die Phrasendrescherei politischer Diskussionsveranstaltungen vermeiden.
Keine politische Phrasenpflege, aber ein SPD-Problem erregte dagegen taz-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann in ihrem Panel zum TTIP. „Wir hätten uns nicht intensiv genug um ihn gekümmert“, lautete der Vorwurf aus Peer Steinbrücks Büro, „deshalb habe er einen anderen Termin angenommen.“ Für Herrmann stand fest, dass aus der SPD einfach niemand zum Freihandelsabkommen TTIP Stellung beziehen wolle, da die Partei in dieser Frage „absolut zerrissen“ sei. Es wäre für Steinbrück kein Heimspiel geworden – TTIP-Gegner sind auf dem Kongress zahlreich vertreten.
„Journalisten auf die Baustelle schicken“, lautete eine Idee einer Leserin zum bevorstehenden taz-Neubau. Zuvor äußerte ein anderer Zuhörer der Veranstaltung „Wozu brauchen wir ein Haus, wenn wir keine Abos mehr haben?“ die Sorge, dass beim Bau ein „Subsubunternehmer seine rumänischen Arbeiter um den Lohn prellen“ könnte. taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch sagte: Das wird es nicht geben.
„Wo ist die Urne?“, fragt Ulrich Schulte, taz-Parlamentsbüroleiter auf dem Dach des HKW. Es geht um die Wahl des besten Bieres. Der Wind pfeift, aber die taz.lab-BesucherInnen stehen geduldig an, um jedes der drei zur Wahl stehenden Biere zu verkosten. Es gibt ein Schlange pro Bier. Danach wird abgestimmt, welches am besten schmeckt: A. B oder C. Da werden Gläser ins Licht gehalten, über Salbeinoten und über den Schaum diskutiert. Stabil sei der Schaum von Bier C, sagt der Chefredakteur Andreas Rüttenauer. Oder war es Bier A?
Die Schlange auf dem Dach ist lang, noch länger ist aber die Schlange vor dem Saal neben dem Café Global. Alle stehen an, um etwas über die Vulva zu lernen. Die Dokumentation „Vulva 3.0“ von Ulrike Zimmermann wird gezeigt, das Programm verspricht einen aufklärerischen und unterhaltsamen Blick auf die weibliche Intimregionen, der alle Generationen anlockt. Überhaupt scheinen dieses Jahr noch mehr Frauen auf dem taz.lab zu sein als sonst. Feminismus gehört aber auch zu den Schwerpunktthemen des Gedöns-Kongresses – scharfe Thesen inklusive. So wie das Fazit von taz-Bloggerin über die Veranstaltung „Da habt ihr’s! Eine feministische Netzreise“. Hengameh Yaghoobifarah, Autorin des Missy-Magazins, sagte über ihre Konkurrenz: „Der Blog maedchenmannschaft gilt als die Taliban des Netzfeminismus.“ Rigoros würden dort Kommentare entfernt, da die Diskussionen, die sie auslösten, ja doch immer dieselben seien.
Nicht so Samstag auf dem taz-Gedönskongress: ein Motto, das zog. Ob es auch an Maschen lag? Viele Frauen (und zwei Männer) häkelten und strickten – subversives Gedöns der entschleunigenden Art.