: Die Krux mit dem „G“-Wort
KLARTEXT Der Deutsche Bundestag will am 24. April eine Resolution über den Völkermord an den Armeniern im Jahre 1915 verabschieden. Ob er die Verbrechen diesmal beim Namen nennt?
VON ARA HARUTYUNYAN (JEREWAN)
Am 24. April wird der Deutsche Bundestag eine Resolution zum Genozid an den Armeniern verabschieden. Laut der Grünen Bundestagsabgeordneten Ekin Deligöz stünde diese Angelegenheit auf der Tagesordnung, da Deutschland eine Mitverantwortung für diese Verbrechen habe.
„Wir müssen sicherstellen, dass solche Dinge nie wieder geschehen, und wir müssen das Bewusstsein verändern, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Es lässt sich nicht leugnen, dass es Gewalt gab und dass Leben zerstört wurden“, sagt Deligöz.
Das offizielle Deutschland nennt die Ereignisse von 1915 nicht „Genozid“. Manche Experten begründen dies damit, dass sich die deutsch-türkischen Beziehungen verschlechtern würden, falls Deutschland es klar benennen würde. Kürzlich hat die Türkei ihren Botschafter aus dem Vatikan zurückgerufen, nachdem der Papst das Wort „Genozid“ benutzt hatte.
„Wir können viel aus der deutschen Vergangenheit lernen, und wie man mit einer solchen historischen Verantwortung umgehen kann. Armenier müssen ihre Herzen öffnen, und die Türkei muss die Blockaden in der Gesellschaft überwinden. Wenn man lernt, mit seiner Vergangenheit umzugehen, kann man nur gewinnen“, sagt Deligöz.
Noch ist unklar, ob die Resolution am 24. April das Wort „Genozid“ enthält. 2005 hatte das Parlament eine Resolution verabschiedet, in der es hieß: „Der Deutsche Bundestag ehrt und erinnert an die Opfer von Gewalt, Tötung, Vertreibung unter der armenischen Bevölkerung vor und im Ersten Weltkrieg. Der Bundestag verurteilt die Taten der Regierung der Jungtürken im Ottomanischen Reich, die zu der fast vollständigen Vernichtung der armenischen Bevölkerung in Anatolien führte. Ebenso verurteilt er die unrühmliche Rolle, die das Deutsche Reich gespielt hat, das […] keinen Versuch unternommen hat, diese Gewalttaten zu stoppen.“
Markus Meckel, ehemaliges Mitglied des Bundestages, rät, „den Prozess der Verständigung“ in den Vordergrund zu stellen. „Deutschland ist auch über politische Stiftungen aktiv, um die Zivilgesellschaften zu unterstützen, Diskussionen anzuregen und Sichtweisen auszutauschen. Es ist sehr wichtig, eine ehrliche Diskussion über die Geschichte zu führen“, sagt Meckel.
Auch wenn die Resolution von 2005 das Wort „Genozid“ nicht enthält, so meint Meckel, sei die Beschreibung der Geschehnisse von damals korrekt. Er ist sich nicht sicher, ob die diesjährige Resolution das „G“-Wort enthalten wird, aber er weiß, dass die Parlamentarier es in ihren Reden offen aussprechen werden, so wie es auch 2005 war.
Was wäre, wenn Deutschland den Völkermord an den Armeniern offiziell als Genozid bezeichnen würde? „Falls die deutsche Regierung dieses Wort benutzen würde, würde Erdogan wütend werden. Mehr würde nicht passieren“, sagt Meckel.