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Archiv-Artikel

„Es gleicht einem Inferno“

VORTRAG Über Nigeria als Land im Konflikt zwischen Boko Haram und Öl-Profiten

Von JPB
Hartmut Roder

■ Historiker und Leiter der Abteilung „Handelskunde“ im Übersee-Museum. Er reist seit Jahren durch Afrika.

taz: Herr Roder, gibt es gute Nachrichten aus Nigeria?

Hartmut Roder: Die bemerkenswerteste Nachricht ist, dass General Muhammadu Buhari die Präsidentschaftswahl gewonnen hat. Er ist im Innenland zwar unbeliebt, aber in Nigeria ist die islamistische Terrororganisation Boko Haram das größte Problem und sein Vorgänger Goodluck Jonathan hat vor ihr den Schwanz eingezogen. Buhari hat dagegen angekündigt, Boko Haram konsequent zu bekämpfen.

Die islamistischen Terrorgruppe ist wegen ihrer Brutalität und der Entführung hunderter Mädchen in die Schlagzeilen geraten. Wie ist ihr Aufstieg zu erklären?

Hervorgegangen ist sie aus kleinen Koranschulen im muslimisch geprägten Norden Nigerias, in denen eine strenge konservative, wahabistische Version des Islam gelehrt wurde. Etwa um das Jahr 2000 herum ist eine Delegation von Al-Qaida mit Geld nach Nigeria gereist, mit dem Ziel der weltweiten Vernetzung der Islamisten. Boko Haram machte dann später den Westen dafür verantwortlich, dass der muslimische Norden vom christlich geprägten Süden abgehängt ist und der Reichtum des Landes bei der Bevölkerung nicht ankommt. Eine Erklärung, die in dem Land mit dem seit Jahren andauernden Konflikt Früchte zeigte.

Um was geht es in dem Konflikt?

Um das Erdöl. Nigeria ist der sechst größte Förderstaat der Welt. Das Geld allerdings fließt in die Taschen weniger, 75 Prozent der Bevölkerung lebt von unter 1,25 Dollar am Tag. Vor allem das „Movement for the Emanzipation of the Niger Delta“ (MEND) setzt sich dagegen ein.

Ebenfalls Terroristen?

Es ist eine sozialrevolutionäre Befreiungsorganisation, die im Nigerdelta entstanden ist. Dort wird das Öl gefördert, unter Zerstörung der Natur. Der ganze Landstrich ist wie ein poröser Käse und mit dem Verbrennen der Gase gleicht es einem Inferno. Die MEND hatte sich zum Ziel gesetzt, die ungleiche Verteilung der Erdöl-Profite zu beenden und die notorische Korruption zu bekämpfen – bis 2012 auch mit Bombenanschlägen und anderen militanten Aktionen gegen Ölgesellschaften. Heute sind sie mehr eine politische Organisation, die sogar Buhari unterstützt.

Wie kann sich die Lage in Nigeria aus Ihrer Sicht verbessern?

Nur, indem von den westlichen Ländern Druck ausgeübt wird, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wirklich umzusetzen. China als wichtigster Handelspartner Nigerias wirkt nicht in diese Richtung, obgleich China sehr stark in die Entwicklung des Landes investiert.  INTERVIEW:JPB

19 Uhr, Übersee-Museum