: Gesundheit schenken
GANZHEITLICHER GESCHENKTIPP Die traditionelle Thai-Massage ist nicht nur Wellness. Sie versteht sich als Heilprinzip, das Körper wie Geist anspricht und hilft bei Verspannungen
VON KIRSTEN NIEMANN
Patrick Colin Ladewig beginnt zu kneten und zu drücken. Er zieht an den Zehen seiner Klientin, an den Armen und tritt gegen ihren Rücken. „Es kann manchmal wehtun“, sagt der Berliner Masseur. Mareike Hahn kennt das schon. Nicht nur dem Masseur steht der Schweiß auf der Stirn, sondern auch ihr.
Zum ersten Mal erlebte Mareike Hahn diese traditionelle Thai-Massage vor drei Jahren am Strand von Ko Samui in Thailand. Zurück in Deutschland behielt sie die Massage als liebe Gewohnheit bei: Alle zwei Wochen legt sie sich für zwei Stunden auf die Matte. „Früher hatte ich massive Rückenprobleme“, berichtet die fünfzigjährige Projektmanagerin. Da halfen kein Orthopäde, keine Gymnastik und kein Schwimmen.
Inzwischen ist sie komplett schmerzfrei. Auch in punkto Beweglichkeit hat sich einiges getan: Beim Versuch einer Rumpfbeuge reichten ihre Hände früher gerade auf die Höhe des Wadenbeins. „Heute komme ich mit den Handflächen bis auf den Boden“, sagt sie.
Thailänder berühren nur ungern die Haut von Fremden. Der Massierte trägt wie der Masseur auch während der Behandlung komfortable, weiche Kleidung. Öl spielt daher bei der traditionellen Thai-Massage nur bei der Behandlung von punktuellen Beschwerden eine Rolle.
Die traditionelle Thai-Massage, in Thailand „Nuad“ genannt, ist kein Streichel-Wellness. Manche bezeichnen sie als „Yoga für Faule“. Der Masseur zieht und dehnt den Körper in Positionen, die manchmal an Yoga erinnern. Tatsächlich stammt die Technik ursprünglich aus Indien. Ihr Begründer war Shivago Kumar Baj, Freund Buddhas und Vater der ayurvedischen Medizin. Vor etwa 500 Jahren gelangte sie nach Thailand, wo vor allem Mönchen sie praktizierten.
Später verließ die Thai-Massage die Klostermauern und wurde als Volksmedizin von Generation zu Generation weitergegeben. Für Faule nennt man sie deshalb, weil der Körper des Klienten zunächst passiv bleibt. Der Masseur biegt ihn in Positionen, in die er von alleine nicht kommt. „Pfeil und Bogen“ heißen die Stellungen, „Spanische Inquisition“ oder „Nussknacker“.
Anderthalb Stunden dauert die Behandlung im Schnitt. Halb Pressur, halb Dehnung, stärkt die Technik die Muskulatur von den Schulterblättern bis zum Unterschenkel. „Fallenlassen“, empfiehlt der Masseur, wenn es schmerzt, und „in den Schmerz hinein atmen“.
Die Behandlung erfolgt nicht wie bei vielen anderen Massagetechniken auf einer klassischen Massageliege, sondern auf einer Matte auf dem Boden. Das erlaubt dem Masseur, bei seiner Arbeit sein ganzes Körpergewicht einzusetzen.
Anders als westliche Massagetechniken betrachtet die traditionelle Thai-Massage den Menschen ganzheitlich. Sie geht davon aus, dass im Körper „Meridiane“, beziehungsweise „Nadis“, verlaufen. Mehr als 72.000 dieser Energielinien strömen demnach durch unseren Körper, etwa zehn von ihnen seien für die Massagearbeit wichtig, meint Ladewig.
Nicht die Behandlung der Muskeln steht im Vordergrund, sondern die Stimulation der Energiebahnen, auf denen wichtige Akupressurpunkte liegen sollen. „Die traditionelle Thai-Massage ist eng neben Akupunktur, Shiatsu und Reflexzonenbehandlung angesiedelt“, erläutert Fachmann Ladewig.
Wie Mareike Hahn haben etliche seiner Klienten erste Erfahrungen mit der Thai-Massage im Urlaub gemacht. Viele kommen wegen Rückenschmerzen und anderen Beschwerden: Migräne, Verspannungen in Nacken und Schultern, Knieproblemen. Eine Thai-Massage kann sie lindern – und noch mehr: Die Drehungen und Dehnungen lockern nicht nur die Muskeln, sie stimulieren auch die Organe.
Ladewig spricht von Entschlackung und von einem Entgiftungsprozess, den die Massage auslöst.
Neben dem körperlichen Nutzen betont Ladewig den spirituellen Effekt der Thai-Massage. „Sie ist wie eine Meditation, als würden Masseur und Massierte miteinander tanzen.“ Zum ganzheitlichen Konzept nach fernöstlichem Verständnis gehört immer auch eine Schale mit Kräutertee, bevor es losgeht. Gerne liest Ladewig ein Mantra zum Einstimmen. Während der Behandlung herrscht Ruhe. Es wird so wenig wie möglich gesprochen.
Wie im Yoga, so soll auch die Thai-Massage als „Weg“ verstanden werden, den Masseur und Massierter ein Stück weit gemeinsam gehen. Es geht um Grenzerfahrungen und darum, nach all dem Stress und der Hektik im Alltag die eigene Mitte zu finden.
„Physiologisch sind die Meridiane oder Nadis nicht nachweisbar. Als Nutznießer verspürt man allerdings ein großes Wohlbehagen“, sagt Lutz Hertel vom Wellnessverband Deutschland. Er empfiehlt die Massage ganz nach dem Motto „Was gut tut, ist auch gut“. So ähnlich drückt es auch Mareike Hahn aus: „Ganz nebenbei fühle ich mich nach der Behandlung nicht nur schmerzfrei, sondern auch vollkommen entspannt.“