: „Zum ersten Mal wohl gefühlt an der Uni“
DER LANGZEITAKTIVIST Ben Stotz
■ ist 27 Jahre alt und studiert Religionswissenschaft und Lateinamerikanistik auf Magister an der FU Berlin.
Die ersten Studienproteste, bei denen ich aktiv war, waren 2003 in Berlin. Da habe ich mich zum ersten Mal richtig wohl gefühlt an der Uni. Ich war damals neu in der Stadt, bin erst kurz vorher aus Freiburg gekommen.
Dieses Streiksemester hat mir gezeigt, dass Studierende in der Lage sind, selbstbestimmt etwas zu gestalten und nicht immer nur die Ellenbogen gegeneinander auszufahren, so wie das in den Seminaren üblich ist. Damals habe ich Blut geleckt. Das Problem der Studienproteste in der Vergangenheit war eine Art Salamitaktik: Jedes Bundesland hat immer sein ganz eigenes Ding gemacht, die Proteste waren sehr zersplittert. Beim bundesweiten Schulstreik im vergangenen November sind wir darauf gekommen, dass doch auch Studierendenproteste bundesweit möglich sein sollten.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass wegen der Bedingungen im Bachelorstudiengang eine Revolte losbricht – schon lange vor dem Bildungsstreik im Juni. Doch die Bachelor-Studierenden mussten erst mal lernen, dass es auch anders geht – für die waren zum Beispiel Anwesenheitslisten vollkommen normal. Der Streik im Juni war daher eine Art Testballon für uns. Wir wollten wissen, ob es möglich ist, bundesweite Proteste zu organisieren. Und die Resonanz war riesig! Das wollten wir auf alle Fälle weiter verfolgen. Und darum gibt es die Streiks jetzt, im Herbst.
Zum Teil sehen wir, dass Proteste etwas bewirken – wie die Erhöhung des Bafögs. Mein Traumziel wäre ein bundesweites Verbot von Studiengebühren, eine Überarbeitung des Bachelor- und Mastersystems und eine Demokratisierung der Hochschulen. Am Besten wäre es, das alles zusammen mit den Schülern zu erreichen. Denen ist ja nun einmal nicht geholfen, wenn nur die Hochschulen demokratischer werden. Die Proteste werden weitergehen.
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