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Archiv-Artikel

RALPH BOLLMANN POLITIK VON OBEN Das Auto des Ministers

Merkels Golf, Röttgens Audi – Fragen nach dem Privatwagen gehören in Deutschland zum Intimbereich. Bei Politikern ist das verständlich: Sie können es nur falsch machen

Zuerst wunderte ich mich, warum der Politiker so zögerte. Flüssig hatte er alle Fragen beantwortet, mal offenherzig, mal ein wenig taktisch. Nie ließ er erkennen, dass er ein Thema als unangenehm empfand. Bis zu dieser einen Frage.

Herr Röttgen, was für ein Auto fahren Sie privat?

Man merkte, wie es in seinem Kopf ratterte. Es war vor vielen Monaten, während einer Phase, als die Opel-Krise erstmals alle Schlagzeilen beherrschte. Die FDP enthüllte damals mit einer parlamentarischen Anfrage, dass nur drei von 300 Dienstwagen in den Bundesministerien von dem maroden Autobauer stammten. Selbst Bundespräsident Horst Köhler wand sich wortreich auf Publikumsfragen, warum er keinen Opel fahre. Die einzig zutreffende Antwort, das Gefährt komme für Staatsoberhäupter nicht in Frage, wagte er nicht zu geben. Durfte ein Politiker zu jenem Zeitpunkt eingestehen, dass er die wenig prestigeträchtigen Autos aus Rüsselsheim verschmähte?

Damals galt Norbert Röttgen, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, noch als Wirtschaftsexperte. Womöglich hatte er trotzdem schon die Perspektive vor Augen, er könne nach der Wahl Umweltminister werden und werde im Dezember zum Klimagipfel nach Kopenhagen fahren. Das erschwerte die Sache. Der Wirtschaftspolitiker müsste Opel fahren, der Umweltpolitiker bestenfalls Toyota Prius.

Was die Angelegenheit, andererseits, auch wieder leichter machte. Die Unwahrheit zu sagen, war sowieso ausgeschlossen. Gar nichts zu sagen, schien ebenfalls nicht möglich – auch wenn die Frage nach dem Privatwagen hierzulande etwas sehr Intimes hat. Einen Audi, sagte Röttgen, ohne das Modell zu nennen. Es klang nicht, als handle es sich um die Dreiliterversion des A2.

Ungefähr zur gleichen Zeit erschien im Spiegel ein Porträt der Bundeskanzlerin. Der Reporter beschrieb Angela Merkel bei dem gescheiterten Versuch, unbemerkt ein Bad in einem uckermärkischen See zu nehmen. Sie wurde von einem Gastwirt aus dem Nachbarort gestört. „Angela Merkel verschwand in ihrem roten Golf und fuhr davon“, schrieb der Autor – und zitierte den Wirt: „Früher ist sie immer nackig baden gegangen.“

Leute aus Merkels Umgebung bestritten hinterher die Darstellung. Keineswegs besitze die Kanzlerin einen roten Golf, das Gefährt sei silberfarben. Es klang, als hielten sie den Unterschied für sehr bedeutsam.

Es war damals noch nicht lange her, dass Merkel den Papst kritisiert hatte. Ein alter roter Golf: Das weckte Assoziationen, die konservative Wählerschichten zusätzlich entfremden könnten. Es klang irgendwie, als bade die Kanzlerin immer noch textilfrei. Obwohl der Wirt das genaue Gegenteil gesagt hatte. Ein rotes Auto eröffnete jedoch ein Assoziationsfeld, gegen das Worte machtlos schienen.

Inzwischen überlege ich mir selbst schon manchmal, ob ich bei einem Termin mit meinem Privatwagen vorfahre oder nicht. In Berlin gilt man mit einem Skoda Fabia Kombi entweder als Provinzler aus Märkisch-Oderland oder als Geizhals, der sich beim Autokauf von rein pragmatischen Gesichtspunkten leiten lässt.

Ich sehe nicht, warum Letzteres verwerflich sein sollte. Es handelt sich um das mit Abstand größte Auto, das für taz-Redakteure erschwinglich ist. Ich finde, Tschechien ist ein sympathisches Land mit gutem Bier und einer relativ liberalen Gesellschaft. Ach ja: Das Auto verbraucht 4,6 Liter Diesel auf 100 Kilometer und liegt in den Empfehlungen des Öko-Instituts ganz vorne.

Damit könnte ich sogar Umweltminister werden.

Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz Foto: M. Urbach