AFRIKA AFRIKA : Die Kickerin von Korogocho
HEINER HOFFMANN
Die Sonne verschwindet langsam hinter den Wellblechhütten von Korogocho. Nun beginnt die Trainingszeit der Fußballer. Auf einer Anhöhe über dem Wellblechmeer liegt ihr Platz, ein riesiges Schotterfeld. Hier versammeln sich spielende Kinder, diskutierende Mamas und – die Fußballweltmeister. Unter ihnen Marcy, die gerade Pässe übt. Das Training hier bietet seine Tücken, sagt sie. „Auf diesem Platz sind so viele Menschen, kleine Kinder, alle laufen über das Feld. Die Kinder fangen den Ball und rennen damit weg. In Europa stehen auf dem Platz nur der Trainer und die Spieler.“
Marcy wohnt nur wenige Meter von hier entfernt, sie streckt ihren Arm in Richtung Wellblechmeer. „Ich stamme aus einer sehr armen Familie, lebe nur mit meiner Mutter zusammen. Mein Vater ist tot.“ Als kleines Kind habe sie angefangen, Fußball zu spielen. „Ich habe mitbekommen, dass Spieler aus unserem Slum bis nach Norwegen reisten, da wollte ich unbedingt selbst mit Fußball anfangen. Inzwischen erfüllt mich der Sport mit Hoffnung, dass ich auch in ferne Länder fliegen kann.“ Neben der Hoffnung erhält Marcy ein kleines Auskommen für sich selbst und ihre Familie. Marcy spielt nun hauptberuflich für den kenianischen Erfolgsverein Mathare United und die Streetfootball-Weltmeister. Ihr Trainer Stanley Okumbi hat sie auf diesem Weg begleitet.
„Ich stamme selbst aus Korogocho, deshalb arbeite ich sehr gern mit den Spielern aus dem Slum“, erklärt Okumbi. „Die meisten kenne ich sehr gut, ich wohne quasi mit ihnen.“ Vor einigen Jahren begannen einige seiner Freunde, sich für Fußball zu interessieren, schnell war ein Team zusammengestellt. Es fehlte nur der Trainer. „Also habe ich gesagt: Ihr spielt guten Fußball, ich trainiere euch“, sagt Okumbi. Auch für ihn ist das Hobby zum Beruf geworden.
Marcy dribbelt vorbei an einem der Jungs der Mannschaft, denn beim Streetfootball treten gemischte Teams an. Das ist Teil des Konzeptes: Es braucht Vorbilder der Geschlechtergleichheit in einer Gegend, in der die Mehrheit der Mädchen vergewaltigt wird. Doch im Team kommt es auch zu Konflikten, erzählt Marcy: „Wenn ich einen Jungen ausspiele, muss er sich vor dem Trainer rechtfertigen, warum er gegen ein Mädchen verloren hat. Dann spielen sie manchmal etwas rauer. Doch für uns Mädchen gilt: Je besser wir spielen, desto mehr Respekt verschaffen wir uns.“
Am Spielfeldrand nickt der Norweger Bob Munroe zustimmend. Er hat den Slum-Fußballverband Mathare Youth and Sports Association (MYSA) gegründet. Seine Teams und Spieler sind mittlerweile berühmt. Das wirke sich sogar auf die Aidsrate aus, berichtet er: „Aufgrund ihrer Kombination aus Fitness und Stolz wurden unsere Mädchen immer attraktiver. Das haben auch die Jungs mitbekommen. Inzwischen sagen die Mädchen den Jungs, wie sie sich zu verhalten haben. Das ist unser bestes Aidsprogramm.“
Marcy hat gelernt, wie sie mit „ihren“ Jungs umzugehen hat, auf dem Platz und außerhalb. Während des Spiels schreit sie mit gellender Stimme Kommandos, die anderen folgen. Die WM in Südafrika bedeutet ihr sehr viel, schließlich findet sie auf „ihrem“ Kontinent statt: „Ich bin sicher, wir werden gewinnen. Ich werde zwei Finalspiele erleben: Unser eigenes und das der WM.“