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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Eine Chance vertan

■ betr.: „Anatomie einer fehlgeleiteten Debatte“, taz.nord vom 31. 12. 13 / 1. 1. 14

Gesellschaftlicher Mainstream war mal: „Sex ist für alle supi und befreit – vor allem, wenn er so läuft, wie der Durchschnittsmann sich das wünscht. Missbrauch: passiert nur Unterschichtskindern. Die sind daran selbst schuld, mit denen haben wir zum Glück nichts zu tun.“ Derzeit lautet das Kollektivmantra: „Sex kann supi sein, aber es gibt Wichtigeres. Missbrauchsopfer, das sind immer die anderen. Mir ist nie sowas passiert, ich war immer schon erwachsen.“ Die Partei der Grünen hat genauso wie die Verantwortlichen innerhalb der katholischen Kirche vor ihnen eine große Chance vertan: die Aufarbeitung systemimmanenter Abwehrrituale. In einer Partei mit 60.000 Leuten in der Kartei muss es aber mindestens 2.000 geben, die im Kindesalter sexuelle Attacken erlebt haben, die strafrechtlich als „schwer“ gelten. Und das sind nur die niedrigsten wissenschaftlich ermittelten Zahlen. Als „schwerer Missbrauch“ gilt das, was als „beischlafähnliche Handlungen“ gewertet wird. Diese Menschen waren als Kinder also „richtigem“ Sex ausgesetzt. Etwas, das schön sein kann, wenn man reif dafür ist und es aus eigenem Antrieb tut – das aber selbst viele Erwachsene aus gutem Grund nur betrunken ertragen. Mögen die Gehör finden, die innerhalb der grünen Partei für das umfassende und ehrliche Aufklären und Aufarbeiten plädieren.  ANGELIKA OETKEN, Berlin

Kein Vertrauen mehr

■ betr.: „Initiativen machen Druck“, taz.nord vom 3. 1. 14

Mit dem Ziel, Fracking zu verbieten, sind die BIs einverstanden. Mit dem Verhalten der Landesregierung ist dieses Ziel jedoch nicht zu erreichen. Letztendlich werden Gerichte die Rechtmäßigkeit der bisherigen Erlaubnisse und Bewilligungen überprüfen müssen. Die Frage der Zuständigkeit für Bergbau in Schleswig-Holstein wird entweder der Landtag oder eine Volksinitiative entscheiden. In die Landesregierung haben BIs und Umweltverbände kein Vertrauen mehr. GAST, taz.de

Tiere müssen es ausbaden

■ betr.: „Gans, Du hast den Raps gestohlen“, taz.nord vom 6. 1. 14

Die Menschen schaffen Probleme und die Tiere müssen es ausbaden, bezahlen es gar mit dem Leben. Mir geht diese Art des Denkens so auf den Geist. A. FRANKE, taz.de

Mit einem unguten Gefühl

■ betr.: „Modell für Geburtshilfe auf Sylt gefunden“, taz.nord vom 16. 12. 13

Seit dem Jahreswechsel gibt es auf Sylt keine Geburtshilfe mehr und Plan B rückt immer näher: Ich bin jetzt in der 38. Schwangerschaftswoche und soll 14 Tage vorher aufs Festland. Das wäre dann am Mittwoch. Irgendwie ist mir das zu früh und ich kann noch nicht gehen. Daher geht es jetzt am Freitag los. Ich habe eine Luxuslösung gefunden: Ich kann in Hamburg bei vertrauten Menschen wohnen und bin dort gut aufgehoben. Trotzdem ist die Zeit gerade beschissen, denn jeden Abend gehe ich mit einem unguten Gefühl ins Bett – es könnte ja losgehen. Nachts bin ich alle zwei Stunden wach, der Geist ist versucht, jede Regung, jede Bewegung, jedes Ziehen zu deuten. Bloß kein Signal verpassen. Wenn ich dann in Hamburg bin, wird es wahrscheinlich nicht besser: Dann bin ich zwar gut aufgehoben und das Krankenhaus ist in fünf Minuten erreichbar, aber schafft mein Mann es rechtzeitig – oder verpasst er diesen einzigartigen Moment, weil ein Großkonzern seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt? Und wer hat jetzt den Versorgungsauftrag für die Menschen auf der Insel, wenn es Asklepios gestattet wurde, einen Teil davon zurückzugeben? Dann liegt der Versorgungsauftrag doch beim Land, oder nicht? Vielleicht liegt er mit der Geburtshilfe noch im Sozialministerium? Eventuell ist es möglich, dass ich mein Kind da zur Welt bringe?  CHRISTINE LUNK, Westerland/Sylt