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Archiv-Artikel

Koalition streitet über Datenschutz

TELEKOMMUNIKATION CDU und SPD zoffen sich um Vorratsdatenspeicherung. Ende Januar soll Klausur schlichten

„Maas hat unsere volle Unterstützung“

JENS KUBIEZIEL VOM VEREIN DIGITALCOURAGE

VON KONRAD LITSCHKO

BERLIN taz | Es ist der erste Aufschlag von Justizminister Heiko Maas (SPD) – und der zettelt gleich einen Koalitionszwist an. Am Wochenende erklärte Maas, die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten (siehe unten) vorläufig nicht umzusetzen. Die CDU und ihr Innenminister Thomas de Maizière pochen dagegen auf den Koalitionsvertrag, der die Einführung der Speicherung vorsieht.

„Wir müssen uns wohl alle noch daran gewöhnen, dass wir jetzt Koalitionspartner sind“, ließ de Maizière am Montag spitz verlauten. „Das verlangt im Umgang ein anderes Verhalten als früher.“ Der Koalitionsvertrag gelte für alle, schob der Innenminister hinterher, und „nicht nur für die, die bestimmte Passagen persönlich ausgehandelt haben“. Soll heißen: Auch wenn Maas bei den Koalitionsverhandlungen über Innenpolitik nicht mit am Tisch saß, müsse er die Vorratsdatenspeicherung mittragen.

Zuvor hatte bereits de Mazières Staatssekretär Günter Krings (CDU) eingefordert, dass Maas „zügig“ einen Gesetzentwurf vorlegt. Aus dem Innenministerium hieß es, es gebe keinen Grund zu warten. Hinweise des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der derzeit über die Vorratsdatenspeicherung berät, ließen sich auch im Gesetzgebungsverfahren noch berücksichtigen. Bis zu einer Entscheidung des Gerichts gelte es, die Zeit zu nutzen.

Die Koalition will das Thema nun auf ihrer Klausur Ende Januar klären. Regierungssprecher Steffen Seibert versprach, dort eine „gemeinsame Beurteilung“ zu finden. Diese Woche treffen sich de Maizière und Maas zudem zum gegenseitigen Antrittsbesuch. Auch dort soll es um die Vorratsdatenspeicherung gehen.

Im Koalitionsvertrag heißt es pauschal zum Thema anlassloses Speichern von Telekommunikationsdaten zur Verbrechensbekämpfung, man werde die entsprechende EU-Richtlinie „umsetzen“. Damit sollen schwere Straftaten aufgeklärt und Zwangsgelder des EuGH vermieden werden. Maas will nun aber die EuGH-Entscheidung zu der Richtlinie abwarten, die in den kommenden Monaten fallen soll. Bis dahin, so der Justizminister, liege die Vorratsdatenspeicherung „auf Eis“.

Im Dezember hatte der EU-Generalanwalt die europäische Richtlinie in ihrer jetzigen Form als rechtswidrig erklärt. Maas sagte dem Spiegel, er wolle abwarten, ob das Instrument „die Rechte der EU-Bürger verletzt oder nicht“. Kassiere der EuGH die Richtlinie, müsse man über die Speicherung „ganz neu reden“. Er selbst sehe das Datensammeln „sehr skeptisch“.

Die Union wittert darin einen Bruch des gerade erst geschnürten Koalitionsvertrags. Innenpolitiker von CDU und CSU klagten, es sei gerade nicht vereinbart worden, so lange zu warten, bis der EuGH entscheide: Man brauche „jetzt“ Rechtssicherheit.

In Deutschland wurde bereits 2010 das damalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt. Seitdem gibt es keine Neufassung. Seit 2012 läuft deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland. Eine Sprecherin der Kommission wollte sich zu Maas’ Vorgehen nicht äußern. Sie verwies aber auf das laufende Verfahren, das sich „bereits in seiner letzten Stufe“ befinde, einer Klage vorm EuGH. Ein Entscheidungstermin ist hier offen.

Die SPD-Fraktion stellte sich hinter Maas. Ihr Innenexperte Michael Hartmann hatte gegenüber der taz schon im Dezember bei der Vorratsdatenspeicherung „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ eingefordert. Das EuGH-Urteil müsse „auf jeden Fall“ abgewartet werden.

Grüne und Linke freuten sich über Maas’ Widerstand gegen den Koalitionsvertrag. Skeptisch zeigten sich Datenschutzverbände. „Maas hat unsere volle Unterstützung“, sagte Jens Kubieziel vom Verein Digitalcourage. „Entscheidend wird aber sein, ob die SPD insgesamt von ihrer langjährigen Unterstützung einer wahllosen Erfassung all unserer Kontakte, Bewegungen und Internetverbindungen abrückt.“