: Zelte für die Jesiden
FLUCHT Die Jesiden erhalten in der Türkei kaum staatliche Hilfen. Damit etwa 20.000 Menschen den Winter überleben können, brauchen wir Ihre Spende
■ Ihre Spende können Sie überweisen an: Christine Senol (Die Brücke e. V.), Konto in Deutschland: IBAN DE227 105 2050 0000 7988 84 Verwendungszweck: Die Brücke-Zelte (bitte immer angeben!).
Die Türkei hat in etwa die gleiche Bevölkerungszahl wie Deutschland. Allein in den letzten drei Jahren sind über 1,2 Millionen Syrer in die Türkei geflohen, um ihr nacktes Überleben zu sichern. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die türkische Regierung hat die Grenzen für diese Menschen geöffnet. Eine Geste, die man sich von vielen europäischen Staaten wünschen würde. Gemeinsam mit internationalen Hilfsorganisationen versucht man hier, von der türkisch-syrischen Grenze aus in Syrien und im Grenzgebiet die Flüchtlinge zu versorgen – eine unglaubliche Kraftanstrengung.
Aus dem Shengal-Gebiet im Nordirak haben sich in den letzten Wochen noch einmal rund 20.000 jesidische Flüchtlinge nach tagelangem Ausharren ohne Essen und Wasser auf einen gefährlichen Fußmarsch in die Türkei begeben. Auf einer Reise in die kurdischen Gebiete erlebte ich, dass bei dieser schwer traumatisierten Flüchtlingsgruppe keine internationale humanitäre Hilfe ankommt. Angesichts des gigantischen Bedarfs an humanitärer Hilfe im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind die Jesiden aus dem Blick geraten.
Die Kommunen richteten daher einen dringenden Appell an uns. Sie schaffen es nicht allein, die Jesiden durch den Winter zu bringen. Das rechtfertigte für uns – eine Gruppe von ehrenamtlich arbeitenden VertreterInnen von NGOs – den Schritt, eine Hilfskampagne speziell für jesidische Flüchtlinge aus dem Nordirak ins Leben zu rufen. Nicht die Religionszugehörigkeit, sondern die Notlage rechtfertigt, dass wir uns für eine spezifische Flüchtlingsgruppe engagieren.
55 Prozent unter 17 Jahre alt
Die Jesiden sind eine religiöse Minderheit im Nahen Osten. Ethnisch betrachtet sind sie Kurden. Bis zum August dieses Jahres wurde die Anzahl der Jesiden im Irak auf rund 600.000 geschätzt. Im August griff die Milizen „Islamischer Staat“ (IS) die Jesiden auf brutalste Weise an. Es drohte ihnen der Genozid. Unter großen Anstrengungen gelangten sie über den sicheren Korridor nach Rojava in Syrien. Um 350.000 erreichten Dohuk und Zakho, 120.000 von ihnen flohen weiter nach Syrien. Tausende von ihnen wurden ermordet, insbesondere Kinder starben an Hunger und Durst im Sindschar-Gebirge und auf dem kilometerlangen Marsch. Der IS entführte viele jesidische Frauen, die mit Mitgliedern des IS zwangsverheiratet wurden.
Am 19. August 2014 wurde die Anzahl der jesidischen Flüchtlinge in der Türkei auf 6.000 geschätzt, im September bereits auf 30.000. Einige von ihnen haben das Land inzwischen verlassen, so dass nach Angaben der Vereinigung der Südostanatolien-Kommunen (Gabb) am 2. Oktober 2014 ihre Anzahl insgesamt 21.533 betrug. Darunter sind 2.840 in einem Flüchtlingslager in Midyat (Provinz Mardin) untergebracht, das von der staatlichen Nothilfe- und Katastrophenschutzorganisation Afad betreut wird. Rund 87 Prozent der jesidischen Flüchtlinge lebt damit an Orten, die nur von den lokalen Kommunen unterstützt werden: in Flüchtlingslagern, auf Baustellen, in Parkanlagen, in Schulen.
Die Politik der Türkei
Nichteuropäer werden in der Türkei aufgrund eines regionalen Vorbehalts der Türkei gegenüber der UN-Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 nicht als Flüchtling anerkannt. Daher gibt es für die Jesiden mit Ausnahme des Flüchtlingslagers in Midyat bisher keine weitere staatliche Unterstützung. Die medizinische Versorgung ist nur sehr eingeschränkt möglich. Nach Angaben von Gabb sind 55 Prozent der jesidischen Flüchtlinge unter 17 Jahre alt, mehr als die Hälfte der erwachsenen Flüchtlinge sind Frauen.
Wir stehen kurz vor dem Winter, der in dieser Region sehr hart ist. Selbst in einer der wärmsten Gegenden im Südosten, in Diyarbakir, sinkt das Thermometer im Winter auf minus 10 Grad Celsius. Die jesidischen Flüchtlinge in der Türkei können in naher Zukunft auf keinen Fall in ihre Heimat zurückkehren. Daher muss zumindest bis zum nächsten Sommer ihr Überleben in der Türkei sichergestellt werden.
Der Bedarf
Die Kommunen und NGOs benötigen dringend Unterstützung, um Zelte, Heizöfen, Betten, Decken, Kissen, Kleidung, Verpflegung, Waschmaschinen, Handtücher, Lehrmaterialien, Spielzeug bereitzustellen. Parallel dazu müssen soziale Programme und Maßnahmen (Einrichtung von Schulen) ergriffen werden, die sich gezielt an Kinder, Jugendliche und Frauen richten. Folgender dringender Bedarf wurde festgestellt:
– 1.285 Zelte sind nicht winterfest und müssen aufgerüstet werden. Insgesamt müssen 2.150 neue Zelte gekauft werden.
– Es gibt zahlreiche Lehrer, Sozialarbeiter, Psychologen und NGO-Aktivisten, die in den Lagern arbeiten möchten. Aber es fehlt die notwendige Infrastruktur dafür. Wir wollen hierfür rund 100 große Zelte für die unterschiedlichen Lager kaufen, die als soziale Zentren dienen können.
– Keines der vorhandenen Zelte verfügt über Heizgeräte. Daher müssen insgesamt rund 3.600 Heizgeräte besorgt werden. Diese können auch als Kochgelegenheit genutzt werden. Gegenwärtig wird die Verpflegung durch die Kommunen geleistet. Doch es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, damit die Jesiden selbst kochen können.
Der Kauf und die Verteilung wird von dem Verein Anadolu Kültür in Koordination mit der erfahrenen humanitären Hilfsorganisation Support to Life, dem Verein Sarmasik (ein Verein für Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung mit Sitz in Diyarbakir) und den Kommunen geleistet.
Zur Unterstützung und Koordination der Spendenkampagne sowie Kontrolle der Finanzen wird eine Gruppe von bewährten Projektmanagern aus unterschiedlichen NGOs ehrenamtlich das Fundraising und die Umsetzung der Aktivitäten koordinieren und überwachen. Das Unterstützungskomitee besteht aus: Serif Camci (Sarmasik Association), Nurcan Baysal (Disa), Garo Paylan (Armenian Foundation for Schools), Osman Kavala (Anadolu Kültür), Gonca Girit (Support to Life Association), Özlem Dalkiran (Association of Helsinki Citizens’ Assembly), Azad Baris (deutsche Jesidische Stiftung), Nurcan Kaya, Kadir Kacan und Ulrike Dufner (Türkeivertretung der Heinrich Böll Stiftung). ULRIKE DUFNER