: Auch an der Seuche sterben die Ärmsten zuerst
WIRTSCHAFT Internationalen Studien zufolge droht das nächste Desaster: die Zunahme von Hunger
Selbst wenn die Regierungen von Liberia, Sierra Leone und Guinea mit internationaler Hilfe dabei sind, die Ebola-Epidemie in den Griff zu bekommen – die ökonomischen Auswirkungen sind verheerend und beginnen gerade erst, sich bemerkbar zu machen. Dieses Fazit ziehen mehrere neue Studien zur wirtschaftlichen Auswirkung von Ebola.
Liberia, schreibt das UN-Entwicklungsprogramm UNDP, erzielte zwischen den Jahren 2000 und 2013 ein durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum von 10,18 Prozent – sehr hoch aufgrund des immensen Wiederaufbaubedarfs nach dem Bürgerkrieg. Vor Ebola war für 2014 ein Wirtschaftswachstum von 5,9 Prozent prognostiziert, für 2015 von 6,8 Prozent. Durch Ebola dürfte die Wachstumsrate dieses Jahr auf 2,5 Prozent fallen – weniger als das Bevölkerungswachstum – und nächstes Jahr ist mit einem Minuswachstum von 4,9 Prozent zu rechnen, so die Afrikaabteilung des UNDP.
Auf der Ebene der Bevölkerung sieht es noch viel dramatischer aus. Im letzten halben Jahr seien die durchschnittlichen Haushaltseinkommen in Liberia um 35 Prozent gesunken, heißt es; in Sierra Leone seien es 30, in Guinea 13 Prozent. Neben ausbleibendem Verdienst durch Krankheit und die Schließung von Märkten und Arbeitsstätten ist auch ein Kaufkraftverlust durch rapide steigende Preise für Grundnahrungsmittel ein Faktor. „Die schwerste Last trägt das unterste Fünftel der Bevölkerung“, so die UN-Ökonomen.
Eine neue Studie der französischen Hilfsorganisation Action Contre la Faim, erstellt gemeinsam mit Agronomen aus Rom, beschäftigt sich genauer mit einer möglichen Ausbreitung von Hunger wegen Ebola. Selbst im am günstigsten anzunehmenden Verlauf der Epidemie werde die Zahl der Unterernährten in den drei Ländern steigen, schreiben die Experten – zuletzt war die Zahl stark rückläufig. Aus den derzeit 4,95 Millionen Hungernden in den drei Ländern dürften im günstigsten Fall 5,006 Millionen werden und im schlimmsten Fall 5,683 Millionen. „Leider wird der schlimmste Fall, dessen Wahrscheinlichkeit zu Beginn des Ausbruchs sehr klein war, jetzt wahrscheinlicher“, so die Agronomen. DOMINIC JOHNSON