: Deutsche unter Folterverdacht
TERROR Der Generalbundesanwalt verdächtigt deutsche Dschihadisten, an Misshandlungen von IS-Gefangenen in Syrien beteiligt zu sein. Einer davon soll Selbstmordattentäter Philip B. aus Dinslaken gewesen sein
VON SABINE AM ORDE
BERLIN taz | Philip B. ist ein Paradebeispiel dafür, wie weit deutsche Islamisten für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu gehen bereit sind. Der Konvertit aus dem nordrhein-westfälischen Dinslaken, der zuletzt als Pizzabote arbeitete, nannte sich „Abu Usama“ und reiste im Sommer 2013 nach Syrien aus.
Er war einer der ersten Deutschen, der in Videos auf Deutsch dafür warb, sich dem IS anzuschließen. Und einer der Ersten, die sich als Selbstmordattentäter in die Luft sprengte. Im August 2014 soll der 27-Jährige nahe der irakischen Stadt Mossul ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in eine Stellung der kurdischen Peschmerga gefahren haben. Dabei gab es mindestens zwanzig Tote. Jetzt besteht der Verdacht, dass B. auch Gefangene des IS gefoltert hat.
Waterboarding und Scheinerschießungen
Der Generalbundesanwalt geht derzeit dem Verdacht nach, dass deutsche Dschihadisten an der Folterung von Geiseln des IS beteiligt waren. In den Gefängnissen des IS – so berichten ehemalige Insassen – kommt es regelmäßig zu brutalen Folteraktionen, wie Scheinerschießungen mit nicht geladenen Pistolen und dem sogenannten Waterboarding. Wie im US-Gefangenenlager Guantánamo müssen die Häftlinge orangefarbene Overalls tragen.
Deutsche sollen als Wächter und Folterer in Gefängnissen der IS-Miliz arbeiten, in denen später enthauptete amerikanische, britische und japanische Geiseln einsaßen. Das berichten Süddeutsche, NDR und WDR. Nach den bisherigen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft soll einer der Folterer Philip B. gewesen sein.
Die Informationen gehen auf Angaben eines 27-jährigen Deutschen zurück, der bis Juni 2014 selbst in Gefängnissen des IS saß. Er sei im Juni vergangenen Jahres auf bisher ungeklärte Weise entkommen. Mehr als ein Jahr sei er an unterschiedlichen Orten von den Dschihadisten des IS gefangen gehalten worden. Der Mann, der derzeit von Terrorexperten des Bundeskriminalamts befragt wird, will während seiner Haft später hingerichteten Geiseln, wie die US-Amerikaner James Foley und Steven Sotloff, kennengelernt haben. Auch dem berüchtigten Henker „Dschihadi John“ sei er begegnet. Der Mann soll zudem die Erschießung einer Geisel selbst beobachtet haben. Die Bundesanwaltschaft und das BKA lehnten am Donnerstag unter dem Verweis auf laufende Ermittlungen Stellungnahmen ab.
Unterdessen hat der Dschihadist und frühere Berliner Rapper Denis Cuspert erneut mit islamistischen Anschlägen in Deutschland gedroht. Ein entsprechendes Video, das im Internet verbreitet wurde, ist nach Einschätzung deutscher Sicherheitskreise authentisch. Das Material sei vermutlich vom IS produziert worden, sagte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU). Cuspert alias „Deso Dogg“, der selbst in dem Video nicht zu sehen ist, singt: „In Frankreich folgten Taten, die deutschen Schläfer warten.“