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Archiv-Artikel

„Nicht der Lage gewachsen“

PROTEST Bei den Unruhen in Ferguson im August 2014 wurden deutsche Journalisten von der Polizei festgenommen. Dagegen haben sie nun Klage eingereicht

VON DOROTHEA HAHN

„Weigerung, sich zu zerstreuen“ steht unter den Polizeifotos, mit denen die deutschen Journalisten Ansgar Graw und Frank Herrmann in der Verbrecherdatei der Polizei von St. Louis erfasst sind. An einem Montag im August 2014 waren die US-Korrespondenten der Zeitungen Welt und Rheinische Post in Ferguson festgenommen worden. Sie hatten Interviews geführt und Fotos von einer Tankstelle gemacht, die bei Unruhen abgebrannt war. Es war helllichter Tag. Beide trugen vom US-Senat ausgestellte Presseausweise. Ohne Vorwarnung und Erklärung legten Polizisten ihnen Handschellen an und transportierten sie in das örtliche Gefängnis.

Es waren zwei von mindestens zwei Dutzend Festnahmen von Journalisten in Ferguson. Alle erfolgten in den Tagen nach den tödlichen Schüsse von Polizisten auf den unbewaffneten schwarzen Teenager Michael Brown, als die örtliche Polizei auch Hunderte von Demonstranten festnahm. Acht Monate später kommt es jetzt zu einem juristischen Nachspiel. Graw und Herrmann haben Klage eingereicht, zusammen mit zwei weiteren Reportern, die in der folgenden Nacht in Ferguson festgenommen wurden: Ryan Devereaux vom US-Magazin The Intercept, und Lukas Hermsmeier, der für Bild unterwegs war. Beide wurden von der Polizei mit Gummimunition beschossen. „Wir gingen mit erhobenen Händen auf die Polizisten zu und riefen, dass wir Journalisten sind“, erinnert sich Hermsmeier. Die vier Journalisten klagen unter anderem wegen Körperverletzung, ungerechtfertiger Festnahme sowie wegen Behinderung ihrer Arbeit und der Pressefreiheit.

Als Graw einen der Polizisten nach dem Namen fragte und die Antwort „Donald Duck“ bekam, frotzelte der Journalist: „Sie kamen mir gleich bekannt vor.“ Für die Polizei war das ein Signal, die Plastikhandschellen noch fester zu zurren. Herrmann sagt, er habe die Beamten als „nicht der Lage gewachsen“ erlebt. Ohne die Anwesenheit von Journalisten wären sie möglicherweise noch härter mit Demonstranten umgegangen, glaubt er.

Nach der Erschießung von Michael Brown fanden in Ferguson allnächtlich Demonstrationen statt. Die Behörden erlaubten die Demonstrationen nur in einem eng umrissenen Gebiet, die Polizei verlangte von Demonstranten und Reportern, dass sie ständig im Kreis gingen; jeder Stillstand war ein Vorwand für Festnahmen.

Im März veröffentlichte das US-Justizministerium einen Bericht über die Missstände bei Polizei, Justiz und Verwaltung in Ferguson. Dieser listete unter anderem zahlreiche Fälle von institutionellem Rassismus auf.

Die vier Journalisten, die jetzt klagen, sind weiß. Sie sind überzeugt, dass die Polizei sie festgenommen hat, obwohl sie genau wusste, dass sie als Reporter unterwegs waren.

Die betroffenen deutschen Journalisten sind keine Cop-Hasser. Welt-Korrespondent Graw hat sogar Verständnis für die rauen Umgangsformen von US-Polizisten: „Sie müssen bei jedem, den sie kontrollieren, erwarten, dass er Waffen hat.“ Aber seine Festnahme, sagt er, habe seinen „kindlichen Glauben an die Polizei als Freund und Helfer ein bisschen erschüttert“.