: Spiel auf populistischem Klavier
betr.: „Idee von Erziehungscamps bringt SPD auf“, „Dazu ist die Verfassung zu schade“
Was wird denn aus jugendlichen Gewalttätern, wenn sie aus dem Gefängnis entlassen werden? Die Fachleute sprechen von 70 % Rückfälligkeit. Die Ausweisung straffälliger junger Migranten nützt denen sicherlich nichts, sondern nur der Sicherheit unserer Besitzstandswahrer rund um Roland, den Chef-Koch. Obwohl seit Jahren bekannt und empirisch belegt ist, dass Verschärfungen des Strafrechts nicht zur bürgerlichen Sicherheit führen, spielt Herr Koch auf diesem populistischen Klavier, um mit Dummenfang seine Wiederwahl zu sichern. Das ist zumindest empörend.
Was aber wäre, wenn man jugendliche Straftäter nach der Haftentlassung eine kleine Perspektive aufzeigte? Diese Frage stellten sich Dortmunder Sozialpädagogen etwa 1970. Und das Land NRW bewilligte ihnen Mittel für einen eindrucksvollen Versuch: 19 junge Männer, die Haftstrafen wegen Mordes, schweren Raubes usw. verbüßt hatten, wurden in eine für sie geschaffene Gruppe aufgenommen und begannen eine Handwerkslehre; nur einer hielt nicht durch. Um die Gehilfenprüfung abzulegen, mussten alle den Hauptschulabschluss nachholen und erhielten dementsprechenden Unterricht. Einer der damit befassten Pädagogen versicherte mir nach einigen Monaten, er hätte derart engagierte Schüler nie zuvor gehabt; im Prinzip seien sie sämtlich in der Lage, das Abitur zu machen.
Hieraus ergab sich für mich die Frage, ob unter den jugendlichen Straftätern nicht auch besonders kreative, tatendurstige junge Menschen sein könnten, die, durch ständige Perspektivlosigkeit und Dämlichkeit ihres Umfelds gequält, schließlich einmal richtig explodiert sind. Wie hätte ich selbst mich als junger Mensch gefühlt, wenn ich nach hundert Bewerbungsschreiben ohne Antwort geblieben wäre und ohne Arbeitsstelle? Hätte es mich dann nicht schon viel früher getrieben, einen von diesen aufgeblasenen Besitzstandswahrern „in die Mangel zu nehmen“?
Aus Kostengründen (!) ist aus dem Dortmunder Experiment „natürlich“ keine Standardbetreuung junger Haftentlassener geworden. War den Entscheidungsträgern wohl klar, dass die „Unterhaltskosten“ für einen Gefangenen mit jährlich etwa 28.000 Euro einen Stundenlohn von 13,80 ergeben? Entspricht die Überlegung, auf dieser Basis echte Hilfe zu schaffen, dem von Koch und Mitstreitern kritisierten „Schmusekurs“? Wenn ja, sollte man nicht besser diesen ausbauen als weitere Verknastung? CARL J. SOEDER, Dortmund