Gewählt wurde der Wechsel

Bei der Vorwahl im US-Bundesstaat Iowa siegten in der Demokratischen wie in der Republikanischen Partei die Außenseiter

AUS DES MOINES ADRIENNE WOLTERSDORF

Nun ist es also passiert: Gegen Barack Obama zu verlieren, hatten die Wahlkampfmanager der ehemaligen First-Lady und Senatorin Hillary Clinton stets gesagt, sei das schlimmste aller Szenarien. Doch genau das ist nun bei der Vorwahl unter den Anhängern der Demokraten im US-Bundesstaat Iowa am Donnerstagabend wahr geworden: Während Hillary nur 29 Prozent der gewichteten Stimmen erhielt, machten Iowas demokratische Parteigänger den 46-jährigen Barack Obama zum Sieger der parteiinternen Kandidatenwahl für die Präsidentschaft in Washington. „Sie haben gesagt, dieser Tag würde nie kommen, nun ist er da“, sagte Obama nach der Wahl vor jubelnden Fans.

Der Außenseiter Obama errang 38 Prozent der Stimmen. Das bedeutet: Ein Schwarzer gewann sehr viele Voten weißer Wählerinnen und Wähler – in einem Bundesstaat, in dem es nur wenige Schwarze gibt. Obama siegte haushoch noch vor dem Exsenator und ehemaligen Vizepräsidentschaftskandidaten John Edwards, der 30 Prozent Zustimmung erhielt. Hillary landete auf dem demütigenden Platz drei.

Auch bei den Republikanern konnte sich ein Außenseiter – noch dazu fast ohne finanzielle Mittel – durchsetzen: Der Exgouverneur von Arkansas und evangelikale Prediger Mike Huckabee gewann mit 34 Prozent klar gegen seinen Konkurrenten Mick Romney. Romney, der als Mormone hartnäckige Akzeptanzprobleme hat, kam nur auf 25 Prozent. Das legt nahe, dass es US-Wählern landesweit tatsächlich Ernst sein könnte mit dem oft geäußerten Wunsch nach einem „Neuanfang in Washington“. In beiden Parteien, so legt das Iowa-Ergebnis nahe, gehen Wählende lieber das Risiko eines unbekannten, unerfahrenen Kandidaten ein, als mehr vom Gleichen in die US-Hauptstadt schicken zu wollen.

Huckabee, der noch vor zwei Monaten als Nobody galt und kaum über eine leistungsstarke Wahlkampfmaschinerie verfügt, gab sich in Iowas Hauptstadt Des Moines siegessicher: „Das ist ein neuer Tag für die amerikanische Politik.“ Zugleich machte er klar, dass er keine Angst vor den weiteren Vorwahlen habe: „Es beginnt heute in Iowa, aber es endet nicht hier, sondern in Washington.“

Romney gestand unterdessen seinem Rivalen Huckabee zu, die konservativ-christlichen Anhänger besser mobilisiert zu haben. Huckabee verdankt seinen Wahlsieg in Iowa einem hohen Bevölkerungsanteil tiefgläubiger Wähler, die Mormonen gegenüber kritisch eingestellt sind. Schon in New Hampshire, einem weit weniger religiösen Ostküstenstaat, könnte es dagegen am kommenden Dienstag, bei den nächsten Vorwahlen, für Huckabee eng werden. Sein Wahlsieg in Iowa führt dazu, dass das republikanische Bewerberfeld noch diffuser wird, als es ohnehin schon war. Mit ihm konkurrieren dann außer Romney noch der Senator aus Arizona John McCain und der Ex-Bürgermeister von New York Rudy Giuliani. Dazu kommen der mit 13 Prozent überraschend gut in Iowa abschneidende Fred Thompson und der unkalkulierbare Ron Paul.

Das komplizierte basisdemokratische Ritual in Iowa bildet traditionell den Auftakt zum US-Wahljahr. Der US-Präsident selbst wird in einer allgemeinen Wahl erst am 4. November gewählt. Und in vielen Vorwahlen der US-Geschichte galt: Wer Iowa gewinnt, kann mit Rückenwind zu den darauf folgenden Vorwahlterminen segeln. Dem Schwung durch die gesteigerte Aufmerksamkeit folgt meist noch ein warmer Geldregen, den vor allem vergleichsweise klamme Kandidaten wie Huckabee und Edwards dringend benötigen. Sowohl Clinton als auch Obama hatten dagegen kurz vor der Wahl bekannt gegeben, über 100 Millionen US-Dollar an Spenden eingesammelt zu haben – und gelten damit für den noch Wochen währenden Vorwahlkampf als finanziell bestens ausgestattet.

Obamas Sieg setzt vor allem Hillary Clinton gehörig unter Druck. Ihr bleiben nur fünf Tage bis zur nächsten Vorwahl in New Hampshire. Fünf Tage, in denen sie ihre gesamte Strategie überarbeiten und den neuen Machtverhältnissen anpassen muss. „Wir haben immer gesagt, dass unser Wahlkampf auf das ganze Land ausgerichtet ist“, erklärte eine sichtlich verhaltene Hillary Clinton ihren Fans nach der Niederlage. Zwar führt Clinton in landesweiten Umfragen weiterhin, doch versicherte sie ihren Anhängern vorsichtshalber mehrmals, dass sie weiterkämpfen werde. „Ich bin absolut bereit für das Ringen ums Weiße Haus.“ Und: „Dies ist eine große Nacht für die Demokraten.“ Das Ergebnis zeige, „dass Amerika für den Wandel bereit ist“.

Der Wahlausgang zwang die ersten Anwärter, ihre Konsequenzen zu ziehen: Die demokratischen Senatoren Christopher Dodd und Joseph Biden erklärten nach ihren einstelligen Ergebnissen, aus dem Rennen um den Sessel im Oval Office auszusteigen. Es wird erwartet, dass erst am 5. Februar ein klarer Sieger unter den Präsidentschafts-Anwärtern feststehen wird. An diesem „Tsunami-Dienstag“ wählen Parteianhänger in 23 Bundesstaaten – mehr als je zuvor in der US-Geschichte –, darunter in den wichtigen Bundesstaaten Kalifornien und New York.