: Tolerant unter Umständen
Parteitag der Linken relativiert Duldungsangebot des Parteivorstandes an einen rot-grünen Minderheitssenat nach der Wahl. Lieber sollen SPD und GAL das linke Programm umsetzen
Kurz vor dem Wahltag häufen sich die Meinungsumfragen, die zumeist von hiesigen Medien in Auftrag gegeben werden. Zumeist erfolgt das in einem Verbund von Organen, die nicht direkt miteinander konkurrieren: Eine Tageszeitung, ein Radiosender und ein Fernsehmagazin, das ist in Hamburg ist die häufigste Variante. So hat, bei geteilten Kosten, jeder seine exklusive Schlagzeile. In der Tendenz gibt es seit September kaum Schwankungen: Die CDU hätte mit 41 bis 44 Prozent keine absolute Mehrheit. Die SPD liegt bei 31 bis 34 Prozent, die GAL zwischen 12 und 14 Prozent. Der Linken wird mit 5 oder gar 7 Prozent stabil der Einzug ins Rathaus vorhergesagt, der FDP mit 3 bis 5 Prozent eher nicht. Sonstige Parteien liegen zusammen bei etwa 3 Prozent. Morgen bringt das Abendblatt die nächste Umfrage. SMV
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Katja Kipping drückte sich diplomatisch aus: „Euer Leitantrag hat für Furore gesorgt, auch bundesweit“, sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken. Und er sei in seinen Formulierungen „verantwortungsvoll, denn wir wollen ja politisch etwas verändern“, stellte sie in ihrem Grußwort an die Delegierten des Hamburger Linken-Parteitags am Sonnabend klar. „Es gibt keinen Grund, sich darüber zu streiten.“ Sie klatschten, die etwa 100 GenossInnen im Bürgerhaus Wilhelmsburg – und dann flogen die Fetzen.
Ohne Blessuren kam der Leitantrag des Landesvorstandes nicht durch, in dem die Möglichkeiten beschrieben wurden, nach der Wahl am 24. Februar einen rot-grünen Minderheitssenat zu tolerieren (taz berichtete). Nach vier Stunden heftiger Debatten wurde beschlossen, über diese Frage nach der Wahl durch eine Urabstimmung unter den Mitgliedern und einen Parteitag zu entscheiden. Zugleich wurde die Latte höher gelegt. Eine Tolerierung kommt nun nur in Frage, wenn Rot-Grün das Sofortprogramm der Linken akzeptiert und umsetzt.
Auch in seiner ursprünglichen Fassung sei der Leitantrag „kein Angebot an SPD und GAL gewesen“, erläuterte Spitzenkandidatin Dora Heyenn: „Er ist der Hinweis an die Wähler, dass wir unsere Inhalte ernst meinen und umsetzen wollen, wenn wir das können.“ SPD und GAL aber „streben zuerst nach der Macht“.
Deshalb würden Rote und Grüne sich, assistierte die Nummer 2 auf der Landesliste, Joachim Bischoff, „auf eine Tolerierung gar nicht einlassen“. Vielmehr werde offensichtlich „auf Schwarz-Grün hingearbeitet“. Und die Drittplatzierte, Vorstandssprecherin Christiane Schneider, versicherte, nicht in den Senat zu streben: „Wir müssen in der Bürgerschaft die totalitären Strukturen des Staates aufdecken.“
Die grundsätzlichen Bedingungen der Linken „für einen Politikwechsel in Hamburg“ sind intensive Anstrengungen gegen Armut, soziale Ausgrenzung und Bildungsbenachteiligung. Die Bereiche Gesundheit, Bildung und Energieversorgung dürften „nicht länger unter Kapitalverwertungsgesichtspunkten organisiert“ werden. Auch stehe die Linke für „die Beendigung der Mauschelpolitik im Rathaus und dafür, dass anstatt viele Millionen Euro für die Elbphilharmonie auszugeben, alle Kinder in den Kitas wieder ein warmes Mittagessen bekommen“. Gefordert werden auch die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs sowie die Re-Kommunalisierung der Asklepios-Kliniken.
SPD und Grüne hatten bereits am Donnerstag den Entwurf des Tolerierungsangebots zurückgewiesen. Unabhängig von Übereinstimmungen in einzelnen Fragen „braucht ein Politikwechsel eine klare Mehrheit“, sagte GAL-Spitzenfrau Christa Goetsch. Die Linke wolle nur darüber hinwegtäuschen, „dass sie keine Verantwortung übernehmen will“. Sie wie auch SPD-Spitzenkandidat Naumann wollen deshalb „klare Verhältnisse für Rot-Grün“.
In Wirklichkeit wolle Naumann seine Wahlversprechen gar nicht halten, erklärte Norman Paech, der Bundestagsabgeordnete der Hanselinken. Denn sonst könnte „er sich doch von uns beim Wort nehmen lassen“. Deshalb schlug Paech vor: „Wir gehen in das Parlament, und dann reden wir darüber, wer mit wem die Wahlversprechen der anderen durchsetzen kann.“
Die Delegierten klatschten. Und beschlossen später, dass die anderen lieber das Programm der Linken realisieren sollten.
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