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Archiv-Artikel

Nationaler Planungsfehler

So recht gelingen mochte der Auftakt der „heißen Wahlkampfphase“ nicht für die niedersächsische NPD. Wo immer sie gestern ihre neuen Plakate auch für die Presse ausrollte: Die Gegendemonstranten waren schon da

Bad Pyrmont also. In die Kurstadt hatte die niedersächsische NPD am Sonntag die Presse geladen – zur Eröffnung der „heißen Wahlkampfphase“. Zum Bahnhof bestellte NPD-Organisationsleiter Patrick Kallweit die Journalisten – ein erster Schleusepunkt, wo es auf einen Anruf zu warten galt. Aus „Sicherheitsgründen“, erklärte Kallweit, der selbst bei der Landtagswahl antritt.

In Hannover nämlich waren einige Exemplare der aktuellen NPD-Wahlplakate – „Sozial geht nur national“ und „Besser leben ohne Multikulti“ – von Unbekannten entfernt worden. Und so ganz ohne Gegenwind fanden die NPD-Bemühungen auch gestern nicht statt.

Sicherheitsbedenken anderer Art führten dazu, dass eine NPD-Veranstaltung im nahe gelegenen Hameln unterbunden wurde. Gegen Mittag wollten NPD-Bundeschef Udo Voigt und der niedersächsische Spitzenkandidat Andreas Molau dort vor die Presse treten. Mitten in der Stadt, in einem früheren Kino, sollten weitere neue Werbemittel präsentiert werden: Wahlplakate, mit denen die NPD gezielt um Russlanddeutsche wirbt, und eine DVD, die sich an Jungwähler richtet. Der Besitzer des Kinos spielte mit: Der Gebäudekomplex gehört Jürgen Rieger, Rechtsanwalt und NPD-Landeschef in Hamburg.

Die Polizei schritt am Vormittag ein: Bautechnische Mängel ließen die geplante Nutzung des Kinos nicht zu, hieß es zu Begründung. Das Objekt sei „total marode“, sagt ein Polizeisprecher. Rieger sei es „hinlänglich bekannt, dass jegliche Veranstaltung untersagt ist“.

Erkennbar überrascht mussten Kandidaten und Wahlhelfer das Gebäude räumen. Vor dem Gebäude hatten sich gut hundert Demonstranten versammelt. In Bad Pyrmont, am Bahnhof, hatten sie bereits gegen die neonazistische Partei protestiert: Mehr als 250 Demonstranten waren einem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes gefolgt. „Gerade in den Kommunen, wo die Nazis sich in Vereinen und Jugendszenen verankern, müssen wir ihnen entgegentreten“, sagte Sebastian Wertmüller, Vorsitzender des DGB Niedersachsen-Mitte. Und die CDU-Landtagsabgeordnete Ursula Körtner erklärte: „Vor Ort muss sich verstärkt mit dem Rechtsextremismus auseinandergesetzt werden“, Eine rechte Hochburg sei Bad Pyrmont aber auch nicht.

Rachel Dohme von der Jüdischen Gemeinde Hameln ist da vorsichtiger. In der Region Weserbergland sei die Szene sehr aktiv, sagt sie: „Drohanrufe haben wir schon erhalten.“

Den Hamelner Planungsfehler wollte „Organisationsleiter“ Kallweit auffangen, indem er kurzfristig nach Georgsmarienhütte lud, wo der Partei ein weiteres Haus zur Verfügung steht. Die Presse aber erschien dort nicht. ANDREAS SPEIT